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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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vorurteilslos seine heute verschollenen zahlreichen Romane las, wird ihm zugestehen, daß er in seiner Weise eine Kraft war und persönlicher Liebenswürdigkeit nicht entbehrte. Doch daß der Verschwender seine vortrefflichen Töchter (bei den Frauen bildet sich die Vererbung vom Vater immer nach der edleren Seite aus) im Elend zurückließ trotz seiner einst überaus hohen Einnahmen, bricht über den Selbstling den Stab. Obschon er nachher mit Preußen Frieden schloß und sich unterwarf, darf ein gerechter Deutscher seine vormalige Tätigkeit nie verzeihen. Der charmante Herr, der in seinem einer höheren Bedeutung gegenüber zugleich bescheidenen und vornehmen Auftreten den gewiegten Höfling erkennen ließ, hatte eine viel größere Rolle gespielt als man glaubt. Für König Georg, obschon auch diesem die immer über den geistigen Durchschnitt wegragende Fürstenbegabung nicht fehlte, lies immer Meding. Es fällt heute schwer, sich in die Selbstentschuldigung dieses gemeinen Landesverrates zu versetzen. Nur das stammverwandte Italien (»lateinische Rasse«, o weh!) hatte die gleiche zentrifugale Richtung, ein Brite oder Franzose muß ins Mittelalter zurückgreifen, um gleichen Wahnsinn des Landesverrates zu finden, der sich noch mit Rechtsgründen drapiert.
    Sobald die Intransigenz des Welfen entschiedene Formen annahm, schwenkte der alles vorausschauende Staatsmann plötzlich ab und fand bei dem Ehrgefühl seines Monarchen sofort Gehör. » A tempo « wurden die bewilligten Revenuen der »depossedierten« Tyrannen (der Kurfürst von Hessen benahm sich ähnlich zum Gelächter seiner früheren mißhandelten Untertanen) »sequestiert«. Auch diese undeutschen Ausdrücke lassen sich durch keine besseren deutschen ersetzen, und dies mag den »Puristen« – auch hierfür gibt »Sprachreiniger« nicht den besseren Sinn – zu denken geben. So wurde denn auch der »Reptilienfond« unsterblich, den nunmehr Otto empfahl.
    *
    »Nichts von Spion ist in meiner Natur«, sagte er der Kammer, was gewiß niemand bestritt, »doch wir werden Ihren Dank verdienen, wenn wir die Verfolgung der scheußlichen Reptile bis in ihre Schlupflöcher aufnehmen.« Er wolle die gestoppten Revenuen zu einer Gegenspionage verwenden. Seinen genialen Dezentralisationswunsch, die Zinsen von 12 Millionen Talern als Provinzialfonds für Hannover zu verwerten, verwässerten die Konservativen, wofür Otto ihnen eine saftige Levitenpredigt las. Längst hinausgewachsen über das »engere Vaterland« betrachtete er schon jetzt jeden Stockpreußen als Deutschfeind. Um die süddeutschen Liberalen zu gewinnen, bekehrte er sich zu Laskers Antrag, die Immunität der Reichstagsabgeordneten auf alle Landtage zu übertragen. Wenn der Bundesrat und das Herrenhaus ihr Veto einlegten, was konnte er dafür? In der Flottenfrage, wo man ihm das diktatorische Recht der ihm verliehenen völlig absoluten Kanzlerschaft beschneiden wollte, brachte er die Nationalliberalen auf seine Seite. Die schwarzweißrote Flagge wird fortan einer deutschen Flotte voranwehen, die zugleich eine preußische ist. Im nächsten Jahre hatte er den Versuch zurückzuweisen, ein ordentliches Bundesministerium, dem Reichstage verantwortlich, an die Stelle der verfassungsmäßigen Einseitigkeit der Kanzlerherrschaft zu setzen. Der Kanzler des Norddeutschen Bundes hatte wesentlich das Auswärtige zu leiten, für alles sonstige hatten ja die Landtage ihre Rechte, und hier müsse Einheit der Handlung herrschen. Bundesministerium würde Zentralisierung bedeuten, aber partikulare Freiheit im engeren Vaterlande sei das Ideal aller Deutschen, und die liberalen Doktrinen würden hier nur den Main verbreitern. Mit überlegener Weisheit belehrte er die starren Unionisten: »Stellt man gewaltsam den Zeiger vor, beschleunigt man damit nicht den Marsch der Zeit.« »Wenn man eine Laterne unter einen Birnbaum stellt, so reift man damit nicht die Birne.«
    Roon stellte vor: »Dem Herrenhause gefällt die entschieden liberale Wendung der Dinge nicht.« Otto wollte mit dem Kernspruche des Götz v. Berlichingen antworten, besann sich aber und urteilte ernst: »Ich begrüße alle Bestrebungen auf nationalem Gebiete, die Ansage volkswirtschaftlicher Handels-, Handwerker-, Juristentage. Strohdrescherei ist besser als Nichtstun.«
    »Die Gründung eines Protestantenvereins aller Schattierungen gegen die Strenggläubigen kann Sie doch nicht befriedigen.« »Das ist nebensächlich.« Er hütete sich wohl, zu bekennen, daß

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