Bismarck 02
St. Julien vorgezaubert, das niemals stattfand) habe Bazaine am Abmarsch gehindert, irrt sehr. Bazaine wollte noch gar nicht abziehen, konnte es auch nicht, weil das Defilee von Metz verstopft war, ist vielmehr erst durch diesen Angriff, der auch schädlich das neunte Korps Friedrich Karls aus seiner vorgeschriebenen Bahn ablenkte und das dritte Korps im Vormarsch unterbrach, zum Abmarsch angetrieben worden. Das Ganze ein arger strategischer Fehler, an dem freilich Moltke und auch Steinmetz, der pünktlich gehorchen wollte, ganz unschuldig waren.
Am Abend des 16. August trafen der Kronprinz und Blumenthal in Pont-à-Mousson beim König ein, um die Lage zu besprechen. Ihr eigenes Hauptquartier kam nach Nancy. In der Ferne hörte man Kanonendonner. »Er muß sehr schwer sein,« bemerkte Otto, »daß man ihn bis hierher hört. Nach der Karte die Gegend Gorze-Tronville.«
Blumenthal sprach sich ihm gegenüber derb und offen aus. »Straßburg müssen wir nehmen. Hier muß alles deutsch werden, ich habe keinen einzigen französischen Laut gehört, selbst nicht in Lothringen.« Otto schmunzelte. Diese Ansicht war wichtig, da sie auch den Kronprinzen bestimmte, dem er schon in gleichem Sinne vorsichtige Andeutungen gab. »Die Franzosen sind so demoralisiert, daß sie erst unter den Mauern von Paris sich schlagen werden. Nach meiner Meinung gibt es in zwei Wochen keine Armee und keinen Kaiser mehr. Der Kronprinz möchte sich konzentrieren und dazu einen Marsch rückwärts machen, doch ich will vorwärts, sonst leidet das moralische Element, wir müssen sofort die Maas überschreiten.«
»Wie verhält sich Seine Königl. Hoheit?«
»Immer gleich heiter und freundlich, eine wahre Lust, mit ihm zu leben. Von Podbielski ist kein Befehl zu erhalten, nur allgemeine Redensarten: vorerst stehenbleiben. Fällt mir nicht ein.«
Nachdem die hohen Gäste sich verabschiedet, kam die Kunde der Mordschlacht Vionville-Mars la Tour. Man wußte schon, daß Friedrich Karl von Pont-à-Mousson einen Gewaltritt unternahm und um 4 Uhr aufs Schlachtfeld gelangte. Seine persönliche Haltung in Festhaltung der Stellung bis zur Nacht war über jedes Lob erhaben. Die Schlacht selber aber hatte wieder ein Unterführer angebandelt, der unternehmende Alvensleben, Ottos alter Freund. Seine taktische Leitung mustergültig für alle Zeiten, richtig in jedem Zuge, doch nur gegen eine so elende Führung und so zweifelhafte Truppen, selber die besten Truppen Deutschlands ins Feuer führend, mit Erfolg gekrönt. Die unvergleichliche Tapferkeit und Gewandtheit der Brandenburger schlugen sogleich zwei französische Korps aus dem Felde, die schmachvolle Flucht des Korps Frossard wäre aber bei deutschen Truppen unmöglich gewesen, ebenso das ungleichmäßige Benehmen der französischen Artillerie, da ihre große numerische Überlegenheit nirgends gegen die überlegene Beschaffenheit der Brandenburger Artillerie aufkommen konnte, deren wundervolle Kraft und Hingebung nie übertroffen werden wird. Nach dem Feldzuge sprach man von »superiorer« Leitung Bazaines, der sich mit unauslöschlicher Schande bedeckte, indem er zwei weitere Korps, das stärkste Leboeuf und die Gardeelite, teils verzettelte, teils zu spät ins Feuer brachte. Dagegen hat auch die französische Geschichtschreibung (Lehautcourt und Generalstabswerk) mit abscheulicher Ungerechtigkeit die glänzende Führung des Korps Ladmirault unterschlagen, das Bazaines Führung entwischte und auf eigene Faust die deutsche Linke zertrümmerte. Hier aber geschahen solche unglaubliche Taten deutscher Todesverachtung und den Franzosen weit überlegener Taktik durch die westfälische Brigade Wedel und sechs Batterien Oldenburger und Hannoveraner, daß der Erfolg unfruchtbar blieb. Die deutsche amtliche Darstellung unterschlug hier alle richtigen Zeitdaten, datierte absichtlich die Katastrophe zwei Stunden nach vorwärts auf den Spätabend, belastete aber gleichzeitig fälschlich die Führung von Voigts-Rhetz (jetzt Korps-, früher Stabschef des Prinzen) und Divisionsgeneral Schwartzkoppen und ließ Verunglimpfung lange bestehen, bis sie, durch Aufhellung eines Zivilstrategen ermutigt, endlich 28 Jahre später ein wenig die Wahrheit klärte, auch hier aber weit hinter der Wirklichkeit zurückblieb. Die unvergleichliche Tat des Soester Regiments Nr. 16 blieb ebenso verdunkelt wie die angebliche Wirkung der Reiterschlacht im Osten (um 1 ½ Stunden zu spät datiert und mit preußischem Rückzuge endend) lächerlich
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