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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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von Prinzen nichts gefallen läßt. Der strategisch hochgebildete Prinz gab den Sieger von Nachod für einen wüsten Haudegen aus. In Wahrheit erwarb sich dieser als Taktiker und Korpsgefechtsleiter die größten Verdienste, entbehrte übrigens nicht völlig gelehrten Studiums. Die fast durchweg ungebildeten Knoten der französischen Generalität fanden nirgendwo ein Gegenstück unter preußischen höheren Führern, fast alle gingen sie durch Kriegsakademie und Generalstabsschule. Steinmetz' Unterführer, der gelehrte Zastrow, dem es bei Königgrätz wahrlich nicht an Schneid fehlte, der begabte Goeben, der vielgewandte Manteuffel mögen ihm geistig überlegen gewesen sein, sie handelten daher mehrfach über seinen Kopf weg. Daß dies in einem bärbeißigen Disziplinvertreter keine zufriedene Stimmung auslöste, begreift sich. Seine angeblichen Fehler waren aber auch die ihren und reichten in einem Falle noch viel höher hinauf.
    Freilich machte sich Otto auch nach dieser Richtung Gedanken. Die Halbgötter, die nachher allen Ruhm allein für sich pachteten, würden im täglichen Tagebuch Blumenthals peinliche Rügen gefunden haben. Es sickerte durch, daß er dem Oberst Verdy du Bernois, einem Manne von tiefer allgemeiner Bildung, von Moltke nach Speier geschickt, nicht verhehlte, daß »ich die höchste Leitung der Operationen für sehr mangelhaft halte«. Der III. Armee werde nichts über ihre Aufgabe gesagt, ihr fehle die Kenntnis der Politik wie der Situation überhaupt. Major v. Holleben berichtete nach dem Wörther Entscheidungssiege sarkastische Äußerungen Blumenthals, der sich über die Halbgötter lustig machte. »Wieder die alte Geschichte. Mit allem einverstanden, aber gute Ratschläge, die längst ausgeführt, dabei eine gewisse Ungeduld, als ob es doch schneller gehen könnte.« Später hieß es: Moltke manövriere zwar schön in der Idee, daß alles zusammenbleibt, »doch macht sich falsche Vorstellungen von dem, was die Truppen leisten können«. Daß sich der linke Flügel Friedrich Karls vor den Kronprinzen schob, ergab eine enge Pfropfung, die ja sonst gar nicht Moltkes System entsprach.
    Otto schrieb an den Diplomaten Graf Solms, der sich im kronprinzlichen Hauptquartier befand, um dieses zu unterrichten. Die politische Situation sei vortrefflich, Österreichs und Italiens Neutralität gesichert, da Rußland sehr freundlich. Ohne die raschen Schläge von Wörth und Spichern hätte es vielleicht etwas anders kommen können, obschon die Deutschösterreicher und besonders Wien den deutschfeindlichen Bestrebungen des deutschen Beust einen Damm entgegensetzten. Obschon die Verabredungen des Erzherzogs Albrecht und des Generals Lebrun ihm noch unbekannt blieben, ahnte Otto instinktiv die Wahrheit und erwog bei sich mit beschämender Demut, wie doch im Grunde nur die höheren unerforschlichen Mächte die kühlste menschliche Weisheit billigen oder zuschanden machen. Denn daß er den Annexionsgelüsten des Königs widerstrebte und ein künftiges Bündnis mit Österreich offenließ, mochten nachher seine Lobredner und die geschichtliche Forschung selber als Genie bezeichnen; doch diese wohlberechnete Mäßigung hätte sich als Rechenfehler erwiesen, wenn Österreich sich davon nicht bekehren ließ, sondern für Frankreich zum Schwerte griff. Nun, das wollte es ja, die Schonung fruchtete gar nichts, und im Falle der Ausführung wäre natürlich weit besser gewesen, wenn man die vom König gewünschten Grenzregulierungen vollzogen hätte. Daß die Mäßigung an und für sich gründliches Fiasko machte, zeigte doch schon Berufung Beusts zum Reichsleiter, was ganz deutlich hieß: Rache! Die Anschauung, daß man einen Böswilligen ein für allemal unschädlich machen müsse, traf zwar hier aus besonderen Gründen nicht zu, weil natürliche Bedingungen ein Wiederzusammenkommen mit Österreich möglich und sogar sehr wahrscheinlich machten. Aber ohne Rußlands Rückendeckung, deren er in Nikolsburg noch keineswegs gewiß war, hätte Österreich jetzt die Zähne gewetzt und machte sich fernerhin noch unbequem. Wo blieb dann die Weisheit von Nikolsburg? Selbst der größte Staatsmann bleibt also abhängig von dem Walten des Schicksals, dem er nicht in die Karten gucken kann. Allerdings warnt dies auch von jedem Präventivkriege ab, da niemand weiß, was für weitere Komplikationen entstehen. –
    Am 12. August lag das Hauptquartier in Faulquemont, Otto selbst in einer schäbigen Bauernhütte. Er lud dorthin zum

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