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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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daß der Staatsmann damals den Einzug in Wien vereitelte. Bald genug nahm diese Verfemung fast ungezogene Formen an. Natürlich ließ sich Moltke selber nichts zu schulden kommen, der als Welt- und Hofmann sowie als alter Bekannter und Mitarbeiter seine Eifersucht unter verbindlicher Höflichkeit verhüllte. Doch seine vollziehenden Organe trugen ihren Widerwillen gegen das ambulante Feldbureau des Auswärtigen Amtes, das Otto mit sich führte, einen Stab von Untergebenen, wie Keudell, Abeken, Bismarck-Bohlen und den kleinen Dr. Busch als Vorsteher des Pressebureaus, nur zu deutlich zur Schau. Der strengen Geheimhaltung jeder militärischen Maßregel paarte sich eine Hintansetzung der Diplomaten bei Verpflegung und Quartierung. Der Große Generalstab, d. h. Moltke und seine Leute, schöpfte aus dem böhmischen Feldzuge ein maßloses und nur teilweise gerechtfertigtes Selbstgefühl, das keine anderen Götter neben sich dulden wollte.
    »Die Halbgötter sind wieder am Werk«, lachte der joviale Bismarck-Bohlen, als man beim Einmarsch in Frankreich spottschlechte Behausung und nichts zu essen bekam. »Hoffentlich notiert unser Büschchen in sein Tagebuch, daß um 3 Uhr 13 Minuten Oberst Verdy folgendes sagte ...« Der kleine Busch, ein sächsischer Journalist, errötete unter dem ruhigen Blicke des Chefs. »Ein Tagebuch? Nur zu! Das kann mal historischen Wert haben.« Die übermenschliche Arbeitskraft seines Chefs hat in Busch einen treuen Chronisten gefunden.
    Trotz des verhängten Boykotts ließ sich der selber genugsam militärisch gebildete Staatsmann nicht den Mund verbinden. Er teilte die Freude im Hauptquartier, daß der Kronprinz (lies: Blumenthal) bei Weißenburg und Wörth den gefürchteten Mac Mahon zu Brei zermalmte. Doch über Steinmetz' Spichernsieg äußerte er sich abfällig. »Das ist ein Blutverschwender. Er machte einen unanständigen Gebrauch von der wunderbaren Bravour unserer braven Truppen. Der überhaupt! Halsstarrig und maßlos eitel. Man hat ihn in den Norddeutschen Reichstag gewählt. Da hielt er sich stets in Nähe des Präsidentensitzes und stellte sich aufrecht so, daß alle Welt ihn sah. Er kokettierte und machte sich Notizen, um seinen Eifer zu zeigen. Er spekulierte auf die Zeitungen, und sein Kalkül war richtig. Man hat ihm eine Gloriole mit Druckerschwärze gemacht, die ihm nicht zukommt.« Dies Urteil wurde nachher geschichtlich und angeblich von Moltke geteilt, der jedoch in seinem Leitfaden über den Feldzug (Gesammelte Werke) Steinmetz keineswegs anschwärzte, sondern ihn deckte, ganz besonders für Spichern. Tatsächlich war Steinmetz an diesem Treffen unschuldig, das von seinem Divisionär Kameke angezettelt wurde, einem prächtigen gemütvollen Typ des echten preußischen Generals, nicht umsonst später zum Kriegsminister erhoben und von laienhaften Militärschriftstellern ganz irrig wegen seines Angriffes getadelt, der subjektiv zureichende Gründe hatte. Als Steinmetz eintraf und sehr richtig Fortsetzung des blutigen Treffens billigte, wäre Abbrechen ein grober Fehler gewesen. Wie schon damals die Goeben-Legende arbeitete, zeigt die überall verbreitete Angabe, Goeben habe bei Spichern gesiegt, der nur mit einem Regiment eingriff. Der taktische Sieger des Treffens blieb im Hintergrunde, der famose Alvensleben, und Otto hätte sich nicht wenig gefreut, wenn er diese Wahrheit gekannt hätte. Als später Steinmetz in Ungnade fiel – aus ganz anderen Ursachen als man glaubt –, sammelte man ein Sündenregister seiner angeblichen Fehler. Und es war ein trauriger Zufall, daß alle Kämpfe seiner Armee unverhältnismäßig blutig waren. Daran trug er persönlich keine Schuld, angebliche rohe Draufgängerei lag dem energischen Greise nicht näher als irgendeinem anderen General. Wenn er einen über Verluste klagenden Offizier barsch ermunterte: »Wo Holz gehackt wird, fliegen Späne«, so folgert man daraus irrig eine besondere Schlächtermäßigkeit. Gewiß war er kein Feldherr, wollte und sollte es auch nicht sein, hielt sich aber peinlich an Moltkes Direktiven. Gewiß war er eitel, und wenn ein alter Mann eine schöne junge Frau heiratet, stellt er sein Licht nicht unter den Scheffel. Doch im tiefsten Schatten der Ungnade trank er begeistert auf seinen geliebten verehrten König, und seinen Haß gegen Friedrich Karl, der ihm das Genick brach, kann man nicht als krankhafte Empfindlichkeit betrachten, vielmehr als Rückgrat eines ehrenhaften preußischen Militärs, der sich auch

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