Bismarck 02
übertrieben, die wahren Gründe Ladmirauts, den Erfolg nicht auszunutzen, deutscher- und französischerseits verkannt. Die ganze Darstellung ist von A bis Z eine Mythe, wobei man ganz fälschlich die preußische Führung belastete, falsch auch die angebliche Wirkung der Gardedragonerattacke, die trotz allem Schneid das erst später stockende Vorrücken der Division Cissey nicht im geringsten aufhielt.
Sobald der Kanzler von dieser Attacke hörte, geriet er in lebhafte väterliche Unruhe, da seine beiden Söhne bei der »Couleur« dienten, und zwar als simple Einjährige. Am folgenden Tage gelang es ihm endlich, seinen verwundeten Sohn Herbert aufzufinden, wobei er seinen Rang als »General« herausbeißen mußte, um bei den Stabsärzten Gehör zu finden. Sein Sohn, Bill (Patenkind des Königs) hatte einen verwundeten Kameraden mit Selbstverleugnung gerettet, ihn traf kein Geschoß, nur sein Pferd. Erst im Laufe des Feldzuges beförderte man seine Söhne zu Offizieren, so völlig verpönte man jedes Protektionswesen. Das Übelwollen gegen den Diplomaten zeigte sich aber auch darin, daß man sich allgemein über die Besorgnis und die Klage des Vaters, sein wunder Sohn sei ohne Wasser und Nahrung gelassen, lustig machte.
Der König sah düster und unmutig drein. »Ließ sich das nicht mit geringeren Opfern erreichen? War ein solches Blutvergießen nötig?« Diese Rüge fuhr allen in die Glieder, denn dieser vornehme Gentleman sprach sich nie unhöflicher aus. »Bitte, lieber Rauch, künftig etwas früher!« mahnte er einmal milde den Oberstallmeister, alles zitterte über so furchtbaren Zornausbruch. »Mir schien, diese Frage wäre besser nicht auf dem Theater zu behandeln, doch Sie werden dies ja besser verstehen als ich,« lächelte er freundlich den braven Literaten Paul Lindau an, worauf Intendant Hülsen: »Wir werden also das Stück absetzen müssen.« »Aber Majestät war doch so gnädig!« »Ja, glauben Sie denn, Majestät wird je grob?«
Moltke schob alle Schuld auf Friedrich Karl, an dem er sich später noch schriftlich rieb, er habe den überlegenen Feind nicht noch reizen sollen. In Wahrheit verstand dieser geborene Schlachtenfeldherr die Psychologie des Krieges besser und schützte gerade durch sein trotziges Auftreten unsere Waffen vor schwerem Rückschlag. Im Hauptquartiere hörte der Kanzler geteilte Meinungen. Denn erst am anderen Mittag zog Bazaines Nachhut ab. Natürlich würde er jetzt, statt die beinahe geöffnete Straße über Mars-la-Tour zu benutzen, nordwestlich über Etain abziehen. Das tat er nicht, sondern setzte sich in eine uneinnehmbare Stellung, an Metz gelehnt. Obschon Moltke und Steinmetz abends die feindliche Stellung an der Manceschlucht und Major Graf Häseler bei Vernaville ein Lager feststellten, faßte Moltke seine Disposition so ab, als sei Bazaine zur Orne abgezogen. Auch Friedrich Karl nahm an, daß »die Divisionen« (?), die bei Metz standen, jetzt auch schon abmarschierten. Infolge solcher Irrung ungenügender Aufklärung stieß der Vormarsch überraschend auf den unmittelbar vor ihm stehenden Feind. Eine Komödie der Irrungen entspann sich, da die feindliche Rechte sich viel weiter ausdehnte, was man nach richtigem Lesen der Karte sich selber sagen konnte. Friedrich Karl und Kronprinz Albert mußten daher selbständig, da mit Moltkes Direktive nichts anzufangen war, eine weite Umgehung ausführen, die erst abends ausreifte. Bis dahin scheiterten alle Angriffe längs der ganzen Front trotz unübertrefflichen Opfermutes der Truppen. Dieser rohe ungelenke Frontalkampf leuchtete dem kriegerisch geschulten Staatsmanne um so weniger ein, als gerade am rechten Flügel bei Gravelotte, wo sich das Hauptquartier befand, so unliebsame Bilder sich entrollten, daß das Hinausbröckeln aus dem Sadwoholze, damals dem König so leidvoll, weit überboten wurde. »Das ist ja eine Schande!«
Der König hielt auf der Chaussee Gravelotte-Rezonville wiederholt fliehende Haufen an und bezeugte dem vor Aufregung zitternden Steinmetz seine Ungnade. Aber was sollte der denn tun? Moltke gab ihm auf, den gegenüberstehenden Feind festzuhalten, und da die feindliche Kanonade schwieg, glaubte er einfach, bis aufs Metzer Glacis nachstürmen zu können. Indem er vier Batterien und noch Kavallerie über die Schlucht warf, vermehrte er die Unordnung, diese wurde aber bald gestoppt und das Auffahren von zwei Feldbatterien, die richtig hinüberkamen, ermöglichte das Festhalten des Vorwerkes St. Hubert
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