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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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überschütteten, schrie die alte plattdütsche Losung in bajuvarischer Mundart gen Himmel: Für immer ungedeelt! Er hatte es ja vorher gewußt, der Nationalkrieg gegen den alten Erbfeind vereinte auf einen Schlag und einen Tag die jahrhundertelang Getrennten.
    Er war sehr gesprächig, und vom Hammelbraten blieb nicht viel übrig ...
    Bleibtreu traf, als er ein anderes Quartier fand, den befreundeten englischen Militärattaché Walker, einen eleganten Krieger von athletischem Wuchse, der sich als Deutschenfreund aufspielte, doch wahrlich nur innerhalb des Bannkreises britischer Einbildung. Denn er mußte in späterer Zeit von Berlin entfernt werden, weil er sich arrogante Äußerungen entschlüpfen ließ, die er übrigens später als Direktor der Militärerziehung in St. James' Palace dem Sohne Bleibtreus wiederholte. Das Geschwätz von preußischem Militarismus konnte auch dieser Stockengländer sich nicht verkneifen. Seine Memoiren mußten später aus dem Buchhandel zurückgezogen werden, weil sie von maßloser Eitelkeit strotzten. Diesmal braute er dem durchnäßten Künstler einen steifen Grog und versicherte später der Gattin des Malers: »Ich hab' ihm das Leben gerettet, hätte er mich gehabt, als er beim Sturm auf Wörth durch die Sauer watete, hätte er keinen chronischen Katarrh.« Solche germanische Herzlichkeit, Gemütlichkeit und Liebenswürdigkeit besaß übrigens auch sein späterer Nachfolger Lord Methuen (der verunglückte Burenschreck), und doch strotzte auch er von maßloser insularer Überhebung, sobald man tiefer in sein Inneres drang. Die Briten bleiben sich immer gleich auf diesem Punkte. Zum Ärger Blumenthals und des Stabes fanden sich immer mehr britische Schlachtenbummler beim Kronprinzen ein, den Sport mitzumachen. Vom Prinzgemahl ihrer Prinzeß Royal erwarteten sie, daß er solche Ehre zu schätzen wisse. So näherte sich ein baumlanger Herr am zweiten Tage seiner Ankunft Bleibtreu, den der Kronprinz zusammen mit seinem literarischen Ideal Gustav Freytag als Gäste zur »ersten Staffel« einlud und geradeso wie der sonst recht zugeknöpfte Blumenthal mit hoher Auszeichnung behandelte. »Ick aben gehört, daß Sie sein mit vorn gewesen in die Bataille von Wörth. Ik uerde mir Ihnen bei die nächste Bataille anschließen.« Dem bei aller Bescheidenheit seiner Würde bewußten berühmten Künstler lief die Galle über, und er rief mit lauter Stimme: »Herr, ich kenne Sie ja gar nicht und fühle gar keinen Wunsch, Sie mitzunehmen.« Unendliche Freude des Generalstabes. Der Brite stand ganz verdutzt da und murmelte: »Ik bin der Duke of Sutherland.« Er war ein kreuzbraver menschenfreundlicher Herr, doch der Gedanke, daß ein englischer Herzog sich einem niederen Sterblichen vorstellen müsse, nun gar bloß einem Deutschen, konnte ihm wirklich nicht kommen. Der Maler beging eine Dummheit, den edlen Lord vor den Kopf zu stoßen, der wäre ihm zeitlebens ein treuer Gönner geblieben, denn der Engländer ist von Natur treu und Gentleman ... als Privatmann. Doch der irrsinnige nationale Dünkel, verbunden mit krasser Unwissenheit, verdirbt zuletzt auch den anständigsten Charakter. Was er sonst als schlechten Ton verabscheut, Prahlsucht und Selbstgefälligkeit, regieren den Briten, sobald er Ausland und Ausländer von oben herab betrachtet. Und der Franzose, der manchmal mit überströmender Freundlichkeit einen Deutschen begönnert, wenn er ihn gern hat? Diese Rasse lernte zu dieser Stunde in Donchery eine furchtbare Erkenntnis aus dem Munde dessen, der nie ein Welschgänger und Michel war ...

Die Generale Wimpfen und Faure als Vertreter der Armee, Castelnau als Vertreter des Kaisers saßen an einem mit roter Decke bedeckten viereckigen Tische Bismarck und Moltke gegenüber. Die anderen preußischen Militärs standen meist, der Protokollführer am Kamin, auf dessen Sims er schrieb, hinter Wimpfen lehnte an der Wand sein Adjutant Kürassierrittmeister d'Orcet. Ein Stahlstich Napoleons I. blickte auf den Tisch herunter, der Lichtschein der Lampe umspielte das Cäsarenantlitz. Es schien düster und erstaunt auf den germanischen Riesen herabzustarren, der hier mit Kanonenstiefeln und Kürassierpallasch breitbeinig sich anschickte, der Gloire für immer ihr Todesurteil zu schreiben. Ein kurzes Schweigen ging vorher. Moltke blieb unbeweglich. Blumenthal rechts von Bismarck krümmte spöttisch die Lippe, ein fanatischer Franzosenhasser. Das Blut seines tapferen Vaters, der bei Dennewitz fiel,

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