Bismarck 02
da ich an der Spitze meiner Armee nicht sterben konnte...«, worüber man irrig gespottet hat. Er suchte wirklich den Tod, der ihn mied, zwei hohe Generale wurden an seiner Seite niedergestreckt. Otto entwarf sofort eine Antwort, die der König dann eigenhändig niederschrieb. Ein von Major Alten ihm vorgehaltener Stuhl diente als Schreibtisch. Währenddessen begrüßte er sich mit Reille, der hastig betonte: »Man wird doch einer Armee, die sich so brav schlug, keine harten Bedingungen auferlegen?«
Otto erwiderte achselzuckend: »Unbedingte Waffenstreckung!«
»Ehe wir das annehmen, werden wir uns mit der Festung in die Luft sprengen.«
»Tun Sie das!« Diesem Kenner etwas vormachen! Er kannte doch die französischen Redensarten. »Ist der Kaiser übrigens noch Herr über sein Heer? Wird man z. B. in Metz seiner Order gehorchen?«
»Sicherlich.« Die Schatten senkten sich tiefer, als Reille abritt, doch den ganzen Himmelsbogen röteten die Brände der Dörfer. Überall wehte die weiße Fahne, die Kanonade schwieg. Die Sonne tauchte unter in schwarzem Gewölk, mit furchtbarer Pracht loderte eine Flammensäule aus Sedan, eine Rauchsäule aus Bazailles empor.
»Ich bitte Eure Majestät, sich nach Vendresse zurückzubegeben, Ihre hohe Person muß jedem Kontakt mit der Verhandlung fernbleiben, bis sie beendet.«
»Sie haben recht, Bismarck. Sie, Moltke und Blumenthal werden also die Kapitulation abschließen.«
Als der König abfuhr, huldigte ihm überall begeistertes Hurra der Truppen, die sangen »Heil dir im Siegerkranz«. Nie hatte dies Lied eine so wörtliche und volle Bedeutung. Längs der langen Linie der deutschen Heere verbreitete sich blitzschnell die Kunde, zu den am Sonnenäther hervorblinzelnden Sternen stieg der Choral aus hunderttausend rauhen Kriegerkehlen: »Nun danket alle Gott!«
Endlich, endlich! Otto warf einen Blick zum unheimlich brandigen Himmel und betete lautlos. Mit Blut und Eisen!
Einen schauerlichen Gegensatz zur feierlichen Größe des deutschen Triumphes bildete die verworrene Demoralisierung in Sedan. Der einzige Deutsche, der noch an diesem Abend waghalsig durch ein Palisadentor die Festung betrat, war der Maler Bleibtreu, den die Franzosen höflich passieren ließen, sei es, weil sie ihn nach seinem Knebelbarte für einen ihrer Intendanturbeamten hielten, sei es, weil sie ihn nach der Genfer Binde als einen deutschen Sanitätsbeamten respektierten. Als er aber am folgenden Tage mit dem befreundeten Ingenieurgeneral Schulz, einem biederen behäbigen Westfalen, von Blumenthal mit Entgegennahme der »Festung« (nicht der Armee) betraut, bis zum Präfekturplatze kam, wollte eine Rotte betrunkener Turkos sie massakrieren. Schon griff der lange Mutius zur Plempe, als Schulz abwinkte: »Steckenlassen!« und ruhig durch den Soldatenpöpel hindurchschritt, der heulend und knurrend auswich. Ducrot, auf der Freitreppe der Präfektur stehend, zog tief sein Käppi. »Ich mache Ihnen mein Kompliment, mein General.« Der allgemeine Eindruck hatte etwas Anwiderndes. Außer Gruppen von Offizieren, die düster mit verschränkten Armen in einigen Höfen an der Mauer lehnten und denen man den bitteren Schmerz ansah, lachten und plauderten die Soldaten, seelensfroh, dem Granatenorkan entronnen zu sein. Draußen in Donchery arrangierten Gefangene in der Kirche eine Theaterposse, »Badinguet« (Spitzname des Kaisers), worin sie sein Unglück verhöhnten.
Als Bleibtreu mit dem befreundeten württembergischen Militärbevollmächtigten General Faber du Faur am Schlachtabend in Donchery vor einem feisten Hammelbraten saß, stürzte der joviale Bismarck-Bohlen herein, klopfte dem Künstler auf die Schulter und lachte: »Herr Professor, Sie müssen raus, hier wird's einen Stoff für ein großes Bild von Meisterhand geben.«
»Was ist denn los, Herr Graf?«
»Hier, gerade hier, wo Sie sitzen, findet die Kapitulationsverhandlung statt. Nun, es ist noch Zeit bis dahin, mein Vetter kommt gleich, lassen Sie ihm was vom Hammel übrig!« Gleich darauf erschien die ehrfurchtgebietende Reckengestalt in der Tür, grüßte mit gewohnter Höflichkeit und setzte sich. Sein ehernes Gesicht trug einen Ausdruck, wie der Künstler, der ihn so oft gemalt, es noch nie gesehen. Er strahlte wie in Verklärung. Seine Stimme hatte ein leichtes Zittern als er erzählte: »Meine Herren, ich kam vorhin durch die Bayern vorbei. Das war der schönste Augenblick meines Lebens.« Der wahnsinnige Jubel, mit dem die Bayern ihn
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