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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Chalons abrückte, wie auch Blumenthal in sein Tagebuch notierte. Nicht 17 000, sondern nur 9800 lagen tot und verwundet, nicht 21 000, sondern 9000 wurden während der Schlacht gefangen, nicht 83 000, sondern 65 000 kapitulierten. Hessen und Thüringer vollbrachten diesmal die wichtigste Arbeit. Otto hörte es mit ebenso viel Vergnügen wie die Taten der hannoverschen Regimenter und Batterien und der ruhmvollen Holsteiner Artillerie in den Metzer Schlachten. Die Neupreußen fochten also ebenbürtig Schulter an Schulter mit den Altpreußen, und die Bayern, bei Wörth noch nicht hervorragend, trugen diesmal fast die Hälfte des Verlustes in heißem Raufen, wobei ihre Artillerie sich auszeichnete. Wie die tapferen Sachsen fochten, erfuhr man bei St. Privat und nicht minder hier. Das kittet für immer aneinander, dachte Otto mit stiller Ergriffenheit und Dank gegen die Vorsehung. Es ging auf 3 ½; Uhr, die Schlacht schlief ein, die Entscheidung fiel längst. In dieser eingelegten Pause, während die Kanonade sich beruhigte, sammelte sich eine Anzahl hoher Personen um den König: Prinz Karl, die Großherzoge von Mecklenburg und Weimar, Herzog Ernst von Koburg und Sheridan nebst dessen Adjutanten Forsyth, natürlich auch »General«, weil in Amerika Generals- und Oberstentitel seit dem Bürgerkriege unendlich wohlfeil waren. Die drei Paladine Bismarck, Moltke, Roon nahmen an dem Gabelfrühstück teil, das aus Koteletten, Erbsen, viel Rotwein und Sherry bestand. Der König hatte einen Feldtisch, die meisten tafelten auf der nackten Erde. Die gehobene Stimmung machte sich in Ausrufen Luft, die sich kreuzten.
    »Die Kapitulation ist sicher!« »Damit ist Frankreich fertig!« »Der Krieg wird in nächster Zukunft beendigt sein!« »Was denken Exzellenz über die Friedensbedingungen?« Otto erwiderte ausweichend, sehr einsilbig, eine peinliche Ahnung bedrückte ihn. Der König wandte sich an ihn und teilte mit: »Das ist eine sonderbare Tartarennachricht. Fürst Putbus will erfahren haben, daß der Kaiser Napoleon sich bei der Armee befindet. Er erfuhr es von französischen Gefangenen. Ich muß gestehen, ich bin etwas ärgerlich, daß er sich solchen Bären aufbinden ließ, und habe ihn herbefohlen.«
    »Warum zweifeln Eure Majestät so sehr?« Ottos Stimme klang gedrückt. »Der Kaiser befand sich tatsächlich bei der Armee in Chalons. Warum sollte er nicht noch jetzt als Höchstkommandierender dort weilen?«
    Fürst Putbus erschien. Der liebenswürdige wohlwollende Mann diente im kronprinzlichen Hauptquartier als Militärinspektor der freiwilligen Krankenpflege. »Majestät, General v. Blumenthal schickte mich zu einer Batterie mit Befehl der Feuereinstellung, weil die Bayern so weit in der Vorstadt andringen, daß unsere Granaten sie treffen könnten. Auf dem Rückwege traf ich gefangene Franzosen und die sagten uns, sie hätten den Kaiser noch am Morgen und später im Feuer gesehen.« Allgemeiner Jubel.
    »Aber das wäre ja famos! Dann wird er mitgefangen! Ein solcher Triumph! Dann ist der Friedensschluß vor der Tür!« Auch Moltke belebte sich, ein Freudenschein glitt über seine kalten Züge. Nur Otto sagte kein Wort. Dann nahm er Putbus beiseite, fragte ihn aus und äußerte ruhig: »Schade! Dann, ist der Friedensschluß in weite Ferne gerückt!« Putbus starrte ihn an, als scherze der Staatsmann. Blitzschnell erwog der geniale Verstand, daß ein gefangener Kaiser nicht Frieden schließen könne, daß sicher Umwälzung in Paris erfolge und nachher niemand da sein werde, mit dem man ordentlich verhandeln könne.
    Vor 5 Uhr erschien der als Unterhändler abgesandte Oberst v. Bronsart und bestätigte die Nachricht. »Dies ist ein großer Erfolg,« wandte sich der König an seine Umgebung, dann an den Kronprinzen: »Ich danke dir, daß du dazu halfest.« Dieser küßte ihm die Hand, ebenso Moltke. Dann winkte er Bismarck zu und sprach mit ihm einige Minuten allein. »Meinen Sie, das ist der Frieden?«
    »Ich zweifle fast. Jetzt wird in Paris das Kaiserreich fallen. Ich fürchte Ausrufung der Republik.«
    »Wird sie sich nicht sofort unterwerfen?«
    »Auch das bezweifle ich. Wir werden noch Überraschungen, erleben. Da kommt übrigens General Reille vom kaiserlichen Hofstaate. Ich kenne ihn von Paris her.« Reille stieg ab, zog sein goldbordiertes Käppi, machte eine zeremoniöse Reverenz und überreichte ein versiegeltes Schreiben, der vornehmste Briefträger in der Weltgeschichte. Der König las: »Mein Herr Bruder,

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