Bismarck 02
121 000 Deutsche nahmen wirklich am Kampfe teil. Dagegen läßt sich nichts einwenden, wenn nur nicht die Irrtümer ins Generalstabswerk übergegangen wären.
»Ist die Zusage, nicht mehr gegen Deutschland zu dienen, nicht genügende Garantie?«
»Vielleicht«, nahm der Kanzler wieder das Wort, »ließe sich auf dieser Basis diskutieren, doch Sie haben keine dauerhafte Regierung. Vielleicht haben Sie morgen eine andere, die sich nicht besinnen würde, unsere Abmachung zu annullieren. Wir brauchen eine andere Sicherheit.«
»Keine Regierung würde französische Offiziere zum Bruche ihres Ehrenwortes bewegen können«, erwiderte Wimpfen mit stolzer Überzeugung. Er war halt selber germanischer Abkunft und hatte sich noch nicht in die gallische Psyche eingelebt. Bald genug sollte der Gefangene vernehmen, daß jeder Offizier, der irgend konnte, sein Ehrenwort brach, Ducrot obenan. La patrie en danger! lautete die Ausrede. Das auserwählte Volk der Franzosen, diese Säule des Universums, ist über kleinliche Ehrbegriffe erhaben. Gut, dann muß es eben mit auserwählt harten Mitteln bekämpft werden. Denn jetzt erhob sich Wimpfen zur wahren französischen Verlogenheit:
»Was uns vor allem auszeichnet, ist unsere hochherzige ritterliche Gesinnung. Sie ist erkenntlich für alle Akte des Edelmutes. Verfahren Sie umgekehrt, so werden Sie Haß und Zorn für immer erwecken. Sie geraten in nie endenden Kampf zwischen Preußen und Frankreich.«
»Zwischen Deutschland und Frankreich, meinen Sie.« Die Stimme Ottos hatte einen ehernen Klang. »Ihr Argument scheint ernst zu sein, doch es ist unhaltbar. An Dankbarkeit darf man wenig glauben, am wenigsten an Dankbarkeit eines Volkes, nun gar eines solchen, das seit 80 Jahren fortwährend seine Regierungsformen wechselte. Es wäre daher reiner Unverstand, auf dankbare Freundschaft einer französischen Regierung zu bauen. Außerdem aber wäre es törichte Einbildung, daß Sie je unseren Erfolg verziehen, eine so reizbare, eitle, hochmütige Nation. Seit zwei Jahrhunderten überzogen Sie dreißigmal Deutschland mit Krieg. Diesmal aus blinder Eifersucht, obschon ›Sadowa‹ dem Ruhme Frankreichs keinen Abbruch tat. Der Ruhm ist eine Ihnen allein vorbehaltene Apanage. Sie haben darauf ein Monopol. Man verzieh uns Sadowa nicht und sollte uns je Sedan verzeihen? Schlössen wir jetzt Frieden, in fünf Jahren hätten wir wieder Krieg. Das ist der Dank, den wir von Ihnen erwarten. Wir sind friedliebend und würden ewig den Frieden lieben, wenn ungereizt. Heute ist's genug. Frankreich muß für seine Eroberungssucht so gezüchtigt werden, daß wir und unsere Kinder ruhen können.«
Wimpfen begriff sehr wohl die Richtigkeit dieser eisernen Logik, wandte aber geschmeidig ein: »Sie haben das erste Empire im Auge. Wir wandelten uns sehr, persönliches Wohlleben bestimmt die Interessen, der industrielle Aufschwung, Vorliebe für die schönen Künste, wir wünschen Verbrüderung der Völker. Sind nicht unsere alten Feinde, die Engländer, jetzt in Entente cordiale mit uns? So hielten wir es auch mit Deutschland, wenn es sich edel zeigt.«
Otto hatte ungeduldig sich bewegt, als ob ihn das Geschwätz anekele, Blumenthal hatte eine Miene, als ob er vomieren wolle, Moltke regte sich nicht, eiskalt. Diese großen Deutschen waren keine deutschen Michel, ihre hohe Bildung befähigte sie, die elende Welschgängerei in sich zu überwinden. Mit erhobener Stimme äußerte sich der Kanzler:
»Ich gebe nicht zu, daß sich Ihr Nationalcharakter änderte, er wird immer der gleiche bleiben bis ans Ende aller Tage. Auch diesmal wollte Frankreich den Krieg, um der Gloiremanie Ihrer kindlich eitelen Nation zu schmeicheln. Wir wissen, daß ein Bruchteil, vernünftig und gesund, den Krieg nicht will, doch selbst diese ruhigen Elemente geben ohne sonderliches Widerstreben nach. Das wird immer so sein . Auch drängt bei Ihnen nicht allein die Armee zum Kriege, sondern die Advokaten, Journalisten und der Straßenpöbel, die bei Ihnen Regierungen gründen und stürzen. Diesem Gesindel, das seine eigene Haut nicht zu Markte trägt, doch mit schamlosen Verleumdungen und Fälschungen alle Unwissenden Europas vergiftet, wollen wir den Hals umdrehen. Deshalb müssen wir in Paris einziehen. Vielleicht bekommen Sie eine Regierung, die nichts respektiert und zum Äußersten schreitet. Wir müssen sie in die Unmöglichkeit versetzen, den Krieg zu verlängern.«
Hier verlautbarte sich Castelnau zögernd: »Der Kaiser habe
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