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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Übrigens merkt man Blumenthal an, wie unangenehm ihm Verlegung des Hauptquartiers in seine eigene Machtsphäre. Er wird sarkastisch und grob, weil er die vielen unverlangten Fragen und unbefugten Ratschläge der Halbgötter fürchtet. –
    Ach Gott, so so, na na! Fängt das schon an? Der amerikanische General Burnside erschien, um Einlaß nach Paris zu erbitten, da er im Namen der Union die Franzosen zum Frieden bewegen wolle. Burnside war ihm als Besiegter von Fredericksburg bekannt, wofür man den gar nicht unbefähigten Zivilfeldherrn absichtlich von berufsmilitärischer Seite mit sehr übertriebenen Rügen überhäufte. Meinethalben! Burnside plauderte bei seiner Rückkehr aus, die Regierung wolle gern alles zugestehen, doch es sei unmöglich, weil die Populace sie sofort stürzen würde. »Das ist ein Irrenhaus, bevölkert von Affen,« rief er verzweifelt. Bald darauf tauchte das Gestirn Gambetta auf oder, genauer, es gondelte auf einem Luftballon über der Nationalverteidigung. In den folgenden Monaten wurde der Andrang von Prinzen, Ministern, Deputationen immer dichter, aus dem Hotel des Reservoirs pilgerte man ununterbrochen in die Rue de Province. Außer den Fürstlichkeiten erschien Delbrück, der als Minister viel zu sagen hatte, dann kamen Bennigsen, Simson, Bamberger als Delegierte der Nationalliberalen, auch Blanckenburg als Vertrauensmann der Konservativen stellte sich ein. Vor allem aber marschierten auf: Graf Bray und Lutz als bayrische, Mittnacht und Wachter als Württemberger, Roggenbach und Freydorf als badische Minister. Denn eine große Frage lag in der Luft, die Otto seit Wochen und Monaten kommen sah und die aus zarten Winken und unzarten Andeutungen immer greifbarere Gestalt gewann: wie Deutschland endgültig einen als gemeinsamen Staat, die Krönung seines Riesenwerkes?
    *
    Wo das Aas ist, da sammeln sich immer die Raben: als Vertreter Englands meldete sich Mister Odo Russel, ein sehr gebildeter kluger Herr. Mit der Erfolganbetung des echten John Bull bewunderte er den großen Realpolitiker, behielt sich aber reservatio mentalis in englischem Geiste vor. Später als Botschafter in Berlin ging er bei dem geistvollen Paul Lindau ein und aus, der ein großes Haus machte und dessen hohe Gemahlin, Tochter des jüdischen Possenwitzlings Kalisch, die besondere Huldigung des Grafen Bill Bismarck genoß. (Später ging sie mit einem gewissen Rosenthal durch, der sich St. Cère nannte). Zurzeit freundete sich Herr Odo Russel mit Georg Bleibtreu an und ging mit ihm im Parke von Trianon spazieren, um über die Stimmung im kronprinzlichen Hauptquartiere sich zu unterrichten. Später als Lord Odo Russel suchte er hingegen auf einem Berliner Hofballe eine höfische Schranke aufzurichten, denn in Wahrheit fing bei ihm der Mensch beim Lord an. So sind die »liberalen« Briten, die über deutsches Junkertum sich ergötzen.
    Ein anderer Russel machte sich in Versailles sehr bemerkbar, der bekannte Timesvertreter William Russel, der durch seine berühmt gewordenen Berichte aus dem Krimkriege, seine wahrheitsgetreuen Aufhellungen aus dem Meutereikriege die edelsten Traditionen der englischen Rasse auffrischte. Wie wir ihn heute überschauen, ein ausgezeichneter Mann, dessen Geschichte des deutsch-französischen Feldzuges bei sonstiger Wertlosigkeit doch große Unbefangenheit und für Deutschland warme Gesinnung betätigt. Er und Skinner von der Daily News machten Georg Bleibtreu eine Staatsvisite im Versailler Museum, dessen Obhut ihm vom Kronprinzen übertragen war.
    »Meine Herren, ich freue mich außerordentlich, Ihre Bekanntschaft zu machen, doch warum kamen Sie nicht früher?« fragte der bescheidene Künstler.
    »Sie waren stets mit Ihrem Intimus Freytag zusammen, dessen Benehmen uns zu verstehen gab, daß englisches Federvieh geradeso wie deutsches unter seiner allerhöchsten Beachtung lag. Da waren wir es denn doch unserer Würde schuldig, weit aus, dem Wege zu gehen. Gestern ist er abgereist, heute sind wir hier.«
    In jener Zeit sollen angeblich die vertrauten Szenen zwischen dem Kronprinzen und Herrn Hofrat Gustav Freytag stattgefunden haben, die letzterer in seinem Pamphlet nach Kaiser Friedrichs Tode mit giftigster Perfidie schilderte. Höchstwahrscheinlich die Hälfte davon erfunden. Dieser von Hochmut platzende Literat (der richtige Literat, dabei alle Literaten als Dreck behandelnd) saß oft zur Rechten des Kronprinzen im Hauptquartier, rächte sich nachher in seinem Pamphlet, worin er

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