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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Gallier besteht mehr Verwandtschaft als man glaubt, beide schämen sich nicht mal, wenn man ihnen ihre gigantischen Lügen und Gemeinheiten vors Gesicht hält, man muß sie wie die Hunde mit der Schnauze in ihren eigenen Unrat stoßen. Die Engländer als Germanen sind natürlich anständiger, sofern sie nicht besoffen sind, doch bei ihnen hat man den Genuß so faustdicker Heuchelei, daß sie jedes Erröten verlernte. Würde mal eine deutsche Granate einen John Bull töten, so wäre damit für immer Acht und Bann über uns Barbaren verhängt; doch würden englische Breitseiten ganz Hamburg in Asche legen, so führe die englische Humanität in feurigem Wagen gen Himmel.«
    »Ich höre, ein englischer Attaché war heute bei Ihnen und faselte von Waffenstillstand im Namen der Humanität?« fragte Moltke ironisch.
    »Das macht mich so grimmig. Morgen kommt Jules Favre aus Paris angetanzt. Larifari! Frieden gibt's nicht eher, als bis sie mürbe sind. Der König freut sich über ein Telegramm aus Petersburg, mein alter Bekannter Thiers habe seine Rundreise an die neutralen Höfe mit friedfertigster Absicht begonnen. Was die so nennen! Noch wird er Europa nicht zu Hause finden, aber später wird es sich nicht verleugnen lassen. Beust fängt schon an, Fühlhörner auszustrecken. Diesen alten Bekannten sollt' ich doch kennen. Beiläufig Vergangenheit ... hier in Ferrières habe ich 1856 auf einer Jagdvisite zwei Fasanen geschossen und sehr viel anderes Geflügel. Lesen Sie im Jagdbuche nach, das im Salon aufliegt, 3. November ... General Marquis de Gallifet war auch dabei, der Todesreiter von Sedan, ein kleiner schmächtiger Herr, damals Eskadronchef ... und der Teufel soll mich holen, wenn ich dem Federvieh des Rothschild nicht noch heute an den Kragen gehe. Kommen Sie, Moltke! Der König ist zur Truppenschau abgereist, mich kann man nicht arretieren, sonst kann man nicht Frieden machen ... versuchen wir ein paar Schüsse im Parke!«
    Den englischen Attaché, einen dünnen, schwarzhaarigen Jüngling, hatte er nicht moralisch die Treppe hinunterwerfen können, da er sich mit Handschreiben von Lord Lyons als Sohn seines alten Jagdgenossen Sir Alexander Malet vorstellte. Er lud ihn zu einer Flasche Sherry-Brandy ein und gab nach, er wolle den sogenannten Minister der provisorischen Regierung empfangen. Es führte zu nichts. Der Franzose deklamierte sentimental und großspurig zugleich. Seinem halsstarrigen Gallierschädel konnte man unmöglich einpauken, daß Frankreichs Ehre genau die nämliche sei wie die jeder anderen Nation. Blasphemie! Als er von Abtreten des Elsaß hörte, meinte er herzig: »Sie scherzen.« »Schwerlich in Geschäften. Wir verlangen von Ihnen, was Sie von Deutschland so oft verlangten, die Pön des Besiegten. Mußten Sie nicht auch die Rheinlande und die Pfalz zurückgeben und Belgien, Holland, Italien, Spanien?«
    »O, das ist etwas anderes. Die ungerechten Eroberungen des korsischen Tyrannen!«
    »Die Ihre Revolutionsregierung schon zuvor begann. Worin sind sie aber ungerechter als die brutalen Eroberungen Ludwigs XIV.?«
    Favre starrte den Preußen fassungslos an, diesen Geschichtsfälscher. »Wie? Die altfranzösischen Provinzen Elsaß und Lothringen?«
    »Meinen Sie das wirklich im Ernste? Mir fällt es schwer, Ernst zu bewahren. Sie wissen am besten, daß ihr Franzosen die Elsässer deutsche Dickköpfe nennt und der Elsässer in eurer Komödie eine komische Rolle spielt.«
    Verwirrt wich der Pariser aus und sprach von Waffenstillstand, um eine Nationalversammlung nach Paris zu berufen.
    »Dann müssen Sie den Mont Valérien übergeben, um Paris zu überwachen, damit sich die Beratung in Ruhe ohne Tumulte vollzieht. Ferner haben Sie Straßburg zu übergeben.«
    Favre sprang in die Höhe wie von neuralgischem Zucken befangen: »Sie vergessen, daß Sie mit einem Franzosen sprechen. Ich verspreche Ihnen, dies Ansinnen nicht dem Volke bekanntzugeben.«
    »Ich zittere schon«, brummte Otto. »Zu beleidigen wünsche ich Sie nicht, doch handle korrekt nach Kriegsrecht.« Hier tat Favre, als ob er einer Ohnmacht nahe sei und in Tränen ausbreche, die abzuwischen er sich abwendete. Das tat dem »eisernen« Deutschen sehr leid, und er wollte gemütvoll trösten, als er bei näherem Zublicken merkte, daß gar keine Tränen vergossen waren und der Advokat ihn zu einer Theaterrührszene einlud wie bei seinen Plaidoyers vor Geschworenen. Der Mann war später auch grauer als bei dieser ersten Zusammenkunft,

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