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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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völligen Selbsttäuschung über die eigene und die gegnerische Macht, aber sie ist nun mal da, und man muß mit ihr rechnen. Die gallische Rauflust wird erwachen, ganz Frankreich sich erheben.«
    »So werden Sie es niederschlagen. Ein reguläres Heer gibt es ja nicht mehr.«
    »Das sagen Sie nach Ihrem Bürgerkrieg? Man merkt, daß Sie selbst Berufsoffizier waren. Deshalb legen Sie gewissen Dingen zu viel Wert bei, die an sich jedes stehende Heer gegenüber Milizen stärken, aber nicht die Wucht allgemeiner Volkserhebung vermindern. Diese stellt ungeahnte Massen ins Feld, hat einen besonders starken moralischen Faktor. Denken Sie an Carnots Levée en masse ! Sie war lange nicht so groß wie die Legende prahlt, und doch genügte sie bei damaligen Zeitläuften. Dauert der Krieg lange, werden die Milizen eben durch Kriegserfahrung Veteranen wie bei Ihnen.«
    »Dazu gehört ein bedeutender Organisator, wie Lincoln es war.«
    »Wer sagt Ihnen, daß Frankreich nicht auch so einen hervorbringt! Darin liegt die Kraft wirklicher allgemeiner Revolutionen – nicht solcher lokalen Putsche wie unsere achtundvierziger Berlinerei –, daß sie Talente an die Spitze bringen, die sonst ewig im Verborgenen schlummern würden. War das bei Ihnen nicht auch der Fall? Lee war simpler Oberst, Stuart Rittmeister, Jackson Professor, Grant Lederhändler, Sherman Eisenbahndirektor, mochten sie auch in ihrer Jugend gedient haben. Und diese Leute führten die größten Heere, leiteten größte Operationen, zum Teil meisterhaft.«
    »Das ist wahr. Doch wir brauchten lange Zeit.«
    »Wegen der ungeheueren Dimensionen von Raum und Zeit. In Europa bei kleineren Verhältnissen geht es natürlich schneller, doch sechs Monate entsprechen hier sechs Jahren bei Ihnen. Ich sehe trübe in die Zukunft. Denken Sie an mich, noch zu Neujahr haben wir nicht Frieden.«
    In Ferrières, dem Schlosse des Barons Rothschild, fand man trotz dessen Eigenschaft als preußischer Generalkonsul den ungastlichsten, frechsten Empfang durch dessen so beauftragten Haushofmeister. Er wollte den berühmten Weinkeller nicht aufsperren, obschon man alles bar bezahlte. Da erlebte er eine böse Viertelstunde durch den grimmigen Weinkenner, der sich an seinem wundesten Punkte getroffen fühlte. Hier war die Stelle, wo er sterblich war, und er lehrte dem dreisten Franzosen im Handumdrehen Mores, der dann kriechend in alles willigte. »So sind sie«, meinte er verächtlich. »Immer das große Maul und hintenach die Retirade, es sei denn, man stellt sie in Reih und Glied als Soldaten, da sind sie tapfer. Die geborenen Drillmenschen, alles nivelliert. Die Franktireurs machen sich schon mausig. Blumenthal fragt wütend, warum man sie nicht sofort nach Standrecht aufhänge. Unsere Leute sind gut wie kleine Kinder. Zum Danke dafür wird das Gesindel die Welt mit Lügen über unsere Hunnengreuel erfüllen. So waren sie und so werden sie sein, das verlogenste, grausamste, brutalste Volk der Welt. Aber gibt man ihnen einen Schlag aufs Lügenmaul, daß die Beißzähne herausfallen, dann kuschen sie auf einmal. Sobald man erst ein paar Dörfer niederbrennt und ein paar Dutzend Blusen-Tückebolde füsiliert, wird das Unwesen von selbst ein Ende nehmen und jeder Maire untertänig höflich sein.«
    »Woher nehmen sie nur ihre naive Frechheit?« wunderte sich Keudell. »Ein Kapitel aus der Kleinkinderstube. Diese ungezogenen Lausbuben halten einfach nicht für möglich, daß sich jemand an der geheiligten Person eines Sohnes der großen Revolution vergreifen könne. Brandschatzen sie ein schwächeres Land, so ist dies ihr heiliges Gloirerecht, aber den heiligen Boden des unsterblichen Frankreich mit Fußtritten regalieren ist Totsünde an der gesamten Menschheit. Übrigens der Hofjude Rothschild hier ... plus royaliste que le roi , französischer als die Franzosen, das gehört zum Geschäft.« Er erging sich in antisemitischen Ausfällen. »Und wir Esel lassen uns von dem ganzen Schwindel imponieren. Majestät befahl bei Strafe, die Fasanen im Wildpark nicht anzurühren. Wozu denn das und wozu die Skrupel beim Requirieren, das Barzahlen ohne Ende! Ich möchte mal sehen, ob die Ausländer auf deutschem Boden auch so zimperlich wären. Alle Pariser Schmutzblätter – und das sind alle – malten mit Behagen die Bestialitäten aus, die sich ihre lieben Turkos leisten würden, der Geschäftsträger in Baden drohte: ›Die Frauen werden nicht geschont werden.‹ Zwischen einem Kosaken und einem

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