Bismarck 02
erst im Kriege! Ist das nicht komisch, Hatzfeld?« Er lachte laut. »Spanien wird wohl an diesem schaurigen Einverständnisse teilnehmen? Und doch sollten Sie unsere Verbündeten sein. Ich ließ schon bei Marschall Prim anfragen, wieviel Truppen er über die Pyrenäen schicken würde. Leider schrak er vor der Konsequenz zurück, die fremde Einmischung in die spanische Thronfolge zur Rechenschaft zu ziehen.«
Der Spanier bekam einen roten Kopf. »Spanien pflegt nicht zurückzuschrecken. Doch der Prinz von Hohenzollern verzichtete auf seine Kandidatur, da ging uns das Weitere nichts an.«
So weiß ich doch wenigstens, daß der Kerl wirklich ein Spanier ist! »Schade! Ihr schon so lange schlaftrunkenes Volk wäre zu neuem Aufschwung erwacht, hat Prim dies wohl bedacht?«
»Der Marschallpremier beehrt mich mit seinem Vertrauen nicht bis zu dem Grade, mir seine geheimsten Pläne zu verraten.«
»Sie wünschen Passierschein nach Ihrer Heimat? Werden also bald Ihren Vorgesetzten treffen? Nun, ich hasse Einmischung in fremde Angelegenheiten, doch ein deutscher Fürst wäre für Sie die Auferstehung. Jeder Vernünftige ist sich klar, daß die lateinische Rasse verbraucht ist. Ihre Bestimmung lag in der Vergangenheit, doch Gegenwart und Zukunft gehören den Germanen. Sprechen wir übrigens von der nächsten Gegenwart! Wird nicht die Dynastie Napoleon zurückkehren? Man kann ihm nur vorwerfen, daß er den Nationalwunsch erfüllen und den Rhein erobern wollte.«
»Man wirft ihm vor, einen unglücklichen Krieg geführt zu haben«, bekannte der Spanier naiv. »Ist es wahr, daß Sie Elsaß-Lothringen annektieren wollen? Das verbürgt keinen dauernden Frieden.«
»Es ist des Königs Wille. Welche Bedingungen wir auch stellen würden, es wäre immer nur ein Waffenstillstand.« Ein düsteres Schweigen folgte, das der Fremde mit dem gewagten Hinweise unterbrach:
»Herr Graf sprechen vom Willen des Königs, Europa erblickt aber in Ihnen den eigentlichen Motor.«
»Disziplinlose Franzosen mögen so denken, die sich zwar jedem Abenteurer unterwerfen, doch unsere Verehrung ererbter Hierarchie nicht begreifen. Bei uns hat nur der König das Recht zu wollen. Ich habe das Recht zu beraten, ihm zu raten, kein anderes. Augenblicklich bin ich nur ein untergeordnetes Werkzeug des militärischen Willens, der nicht immer der meine ist.«
Als der Spanier nach dreistündiger Unterhaltung ging, geleitete ihn der Kanzler höflich bis zur Tür. »Mein Neffe wird Ihnen ein Unterkommen verschaffen, morgen wird Ihnen der Passierschein ausgehändigt.« Kühl fügte er nachher hinzu, als Hatzfeld nach dem Eindruck fragte: »Das ist natürlich kein Spanier, er spricht mit Pariser Akzent. Ich gab Stieber Auftrag, ihn zu beobachten und auf der Tat zu ertappen. Ein Spion.«
Stiebers Rapport lautete: »Redakteur des ›Gaulois‹, Pseudonym Angel de Miranda, schreibt Hetzartikel, schimpft den König einen ›mystischen Korporal‹. Den hätten wir, haben auch einen Plan unserer Truppenaufstellung bei ihm abgefaßt. Sofort verhaftet, wird nach Mainz transportiert.«
Otto schmunzelte: »Es war doch eine anregende Plauderei.«
Wenn er nicht in der Präfektur beim König vorsprach, füllte sich sein Vorzimmer in der Rue de Province mit Besuchern. Sprach er nicht von Geschäften, so bevorzugte er seine Verachtung der Franzosen als Gesprächsthema. Da hätten die Pariser Journalisten Wut geschäumt, die auch ohne dies ihn als »Antichrist«, »Inkarnation des Bösen«, »blutbefleckten Oger«, »Ritter Blaubart«, der alle zehn Gebote brach und sogar Nonnen aus den zahlreichen Klöstern von Berlin entführte, ihren gläubigen Lesern vorführten. Gab es damals auch noch keinen »Matin«, so waren dessen Ahnen von gleicher Stärke. Jede nur erdenkliche Verleumdung floß durch die Kloake dieser Blätter, jede mögliche Lüge aus der offiziellen Filtriermaschine der Regierungsmanifeste. Die Preußen waren vernichtet, ihre süddeutschen Verbündeten an der Loire aufgerieben, in allen deutschen Gauen herrschten Hungertyphus und finanzieller Bankerott, alle Neutralen standen jeden Tag unmittelbar vor dem Losschlagen, die französische Flotte erzielte durchschlagende Erfolge gegen die deutsche Küste. Alle diese Lügen, eine lächerlicher als die andere, erfüllten ihren Zweck, fünf Monate lang verschlang sie das leichtgläubige Völkchen wie Bibelsprüche, die neutralen Zeitungen druckten den Dreck begeistert ab, besonders die Schweizer jubelten über die
Weitere Kostenlose Bücher