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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gekommen.« In Berlin erzählte man wütend, Loftus habe gesagt: »Paris wird nicht beschossen, England will es nicht.« Ein Sturm patriotischer Entrüstung erhob sich, man deutete mit Fingern auf hohe Damen, die ihre Händchen in das Gewebe des Krieges zu stecken wagten. Die rührende Menschenliebe der Neutralen bezweckte natürlich, die Macht des Siegers lahmzulegen. Dieser Heuchelei, vornämlich englischen Gepräges, kam übrigens zustatten, daß die deutschen Regierungen nie rechtzeitig Wert auf die Bearbeitung der internationalen Presse legen und das wichtige Ressort des amtlichen »Pressebureaus« mit Nullen besetzen. Im Frieden ist dies Institut dazu da, um seinem Vorsteher allerlei Einflüsse zu sichern und sich in Einklang mit Pressekliquen zu setzen, die für Reklame sorgen. Statt an die Spitze des Bureaus einen anerkannten bedeutenden Schriftsteller zu stellen, amtet irgendein entgleister Journalist dort als Geheimrat und vereint die von Bismarck so gehaßten Mängel des Bureaukraten mit denen des Journalisten. Sobald es zu großen politischen Krisen kommt, enthüllt sich dann die volle Inkompetenz, die entweder ungeschickt schwülstigen oder farblosen Waschzettel beeinflussen das Ausland eher nach falscher Richtung. Bei der sonst vollkommensten Organisation zeigt sich immer wieder die Desorganisierung des Pressedienstes, weil amtliche deutsche Kreise keinerlei Fühlung mit den berufenen geistigen Kreisen haben, höchstens halten sie bestallte Kathedergelehrte dafür, die stets durch ihre akademischen salzlosen Feierlichkeiten, meist ohne jeden soliden Gedankenkern, doch mit dozierender Anmaßlichkeit vorgetragen, das Ausland abstoßen.
    Otto zeigte sich auch hier über das deutsche Bureaukratentum erhaben, er bog sich jetzt einen früheren roten Revolutionär und besonderen Vertrauten Lassalles, den kleinen verwachsenen Lothar Bucher, als diplomatische Stütze bei, und sein etwas geschwätziges Büschchen bewies doch eine gewisse Rührigkeit. Fehlerhaft blieb aber auch die Wortkargheit der amtlichen Generalstabsberichte, während die Franzosen mit lächerlichen Communiqués über ihre glorreiche und herrliche Armee die fremden Höfe überschwemmten und mit farbenreichen ausführlichen Phantasiebildern dort Eindruck machten. Otto dachte: hätte ich einen wirklichen Autor hier oder in Berlin, der die Pressemache besorgt und das Ausland genügend kennt, dann würde viel Übel vermieden werden. Doch der Teufel bekehre unsere Herren am grünen Tisch! In Italien z. B. bestanden damals starke Sympathien für Deutschland, Unzufriedenheit mit der französischen Hegemonie, besonders die Republikaner befürchteten das von Viktor Emanuels Französelei. Ohne weiteres versprach Otto im August italienischen Parteisendlingen Unterstützung mit Geld und Waffen für eine Revolution gegen das Haus Savoyen, falls dieses unfreundlich werde. Unbedenklich ergriff er überall jedes Mittel, das sich im deutschen Interesse bot. Doch selbst Rußlands war man nicht sicher, solange Gortschakows Französelei dort schwarmgeisterte und sich in seinem Tintenfaß spiegelte, vor dem er sich mit der Pose eines Napoleon aufpflanzte: Schreiben Sie! und vom Sekretär bewundernden Augenaufschlag für seine Floskeln erwartete. »Neid und Eifersucht gegen mich bestimmen sein ganzes Wesen, er hat kein vaterländisches Pflichtgefühl, nur unwürdige persönliche Eitelkeit. Er will nicht verlöschen wie eine Lampe, schwadroniert er, sondern schwinden wie ein Planet. Ohne irgendwo präsidiert zu haben, mag er sich Petrus am Himmelstor nicht präsentieren. Die russischen Familienverwandtschaften mit Hannover und Oldenburg waren auch kitzlich. Wir könnten selbst jetzt von Rußland Unliebsames erleben, stände nicht mein ehrlicher Kutusow in direkter Beziehung zum Zaren in uns günstiger Weise.« Auch bei so unbedingtem Vertrauen ging Otto zu weit, denn dieser Militärbevollmächtigte, ungemein beliebt bei der »ersten Staffel« des kronprinzlichen Hauptquartiers, ließ sich bei einem Besuch in Bleibtreus provisorischem Atelier (Versailler Museum) unmutig entschlüpfen: »Jaja, sehr schön, aber was wäre, wenn Rußland es nicht zuließe!« Eine Freude an Deutschlands Erstarken hatte niemand.
    Der aus Paris entlassene englische General Clermont bestätigte später, man habe Paris am neunzehnten September (und wohl noch am folgenden Tage) mit Sturm nehmen können. Doch auch Blumenthal, scheinbar so quecksilbern lebhaft, litt an Übervorsicht, wo es

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