Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Ihrem Freund, ich sei ganz für Bombardement, er überzeugte mich schon lange. Ihre Majestät die Königin hält dies für inhumaner als Aushungerung. Das sehe ich wirklich nicht ein. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.« –
    Auch so eine Hofschranze! dachte Otto mürrisch, im Versailler Park lustwandelnd, als General v. Boyen verbindlich grüßend vorüberritt. Seit seiner Anhänglichkeit im Revolutionsjahr, wo er Prinz Wilhelm nach England begleitete, saß Boyen für immer fest in der besonderen Gunst des Königs, der nie einen geleisteten Dienst vergaß, dankbar für jede Treue, weil er selbst die verkörperte Treue war. Otto dachte bitter an den Vertrauten des unglücklichen Friedrich Wilhelm, seinen alten Polte Gerlach, von dem er in ziemlichem Unfrieden schied. Den deckte nun auch schon lange der kühle Rasen. Der alte Mann wandelte in Wind und Wetter trotz eigener Unpäßlichkeit hinter dem Sarge des Herrn mit bloßem Kopfe, den Helm in der Hand, und zog sich so den Tod durch Gesichtsrose zu. Ein würdiges Ende altdeutscher Mannentreue. Dem Grollenden schien jetzt ein neues Strebergeschlecht heraufgekommen, das nach den großen Erfolgen sich immer mehr ausbreiten und den sonst im feudalen Preußen fremden Begriff des Byzantinismus einschmuggeln werde. Diese Ahnung täuschte ihn nicht, und es gab auch Personen in des Königs Umgebung, wie den Grafen Pückler, die nicht gerade als Mustermenschen erfreuten. Doch auf Boyen paßte kein Kennzeichen des Höflings. Liebenswürdig, ehrenhaft, bescheiden, freilich unbedeutend, ungleich seinem berühmten Vater, nach dem dafür seine drei klugen Töchter schlugen, zu Bismarcks Zeit eine erhebliche gesellschaftliche Rolle hinter den Kulissen spielend. Sie starben als alte Jungfern, die behäbige, stattliche Hermine und die vornehme Amalie, einstige Hofschönheiten, die bucklige Johanna mit ihrem Pudel etwas spitz und kritisch. Mit ihnen verkehrte besonders die Gattin des Theaterintendanten v. Hülsen, eine geborene Gräfin Häseler, die unter dem Decknamen »Helene« Salonromane schrieb ohne literarischen, doch voll dokumentärem Wert. General Boyen heiratete eine Prinzeß Biron von Kurland, doch auch solche Prinzlichkeit verminderte nicht die vornehme Schlichtheit und wohlwollende Herzensgüte dieses Kreises, hier vertrat man noch das alte Berlin, wie auch im ästhetischen Teezirkel der Frau v. Hohenhausen, wo Prinz Georg seine gutgemeinten poetischen Übungen vorlas. Und aus diesem Milieu Alt-Preußens stammten doch alle die Tatmänner, deren wahres Wesen das nachfolgende kleine Geschlecht so wenig begriff, daß man sie als derbe Realpolitiker anschwärmte und ihnen einen Weihrauch wegen besagter Rauheit streute, der ihnen übelduftig in die Nüstern stieg. Otto empörte sich immer über die Phrase vom Eisernen Kanzler und Mann von Blut und Eisen, er, der zarthäutigste, sensitivste Mensch. Denn wie der alte Kant schon erkannte, »es geschah noch nie etwas Großes ohne Enthusiasmus«, ohne den kategorischen Imperativ eines schwungvollen Idealismus. Selbst der trockene Moltke glich keinem öden Stubengelehrten, seine kühle Schreibweise nahm Wärme an, wenn er den Geist seiner jung abgeschiedenen Gattin beschwor, der ihm tapfer und heiter über die Schultern blicke und lächele: »Ich hab's überstanden und ihr werdet's auch überstehen.« Wohl stand er an literarischer Bildung tief unter Bismarck, doch ein Hauch echtdeutscher humanitärer Geisteshaltung umschwebte auch ihn. – Die unbefangene Nachwelt muß urteilen, daß Bismarck in allem recht hatte. Janus hat ein doppeltes Gesicht, und der Janustempel hat zwei Türen. Der Krieg als Fortsetzung der Politik kann nicht der dauernden Mitwirkung des Staatsmanns entraten. Schon machte ihm Beust zu schaffen. Die von Thiers nicht gefundene Provinz Europa wollte der sächsische Intrigant durchaus entdecken. Schon Mitte Oktober verlas sein Botschafter Wimpfen in Berlin einen Erguß, die Enthaltung des unbeteiligten Europa müsse ein Ende finden, da Paris von einer Katastrophe bedroht werde, die jede Menschlichkeit verletze. Mit solcher Heuchelei wurde dann weiter operiert, auch die amerikanische Union, statt sich an Frankreichs Gehässigkeit und Preußens Freundschaft zu erinnern, strotzte plötzlich von republikanischen Sympathien, England flötete von europäischem Gleichgewicht und edler Menschlichkeit, zuletzt suchte Beust auch Gortschakow aufzuwiegeln: »Der Moment zur Intervention scheint

Weitere Kostenlose Bücher