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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»Pendule« gestohlen. Ein General Eyre schrieb an Blumenthal aus England, das ganze Land unter Vorantritt aller Radikalen entrüste sich über die deutschen Plünderungen. In englischer Vorstellung nahm der Krieg schon die Form einer feudalen Raubritterfehde gegen friedliche republikanische Bürger an. Oliphant verzeichnete unverschämt: »Die Preußen plündern schrecklich.« Aber solche britische Pharisäerheuchelei von seiten der Aussauger Indiens konnte man sich trösten, doch warf man sich andererseits selber zu salbungsvoll in die Brust, als bestehe das deutsche Heer aus lauter makellosen Engeln. Es ist unwahr, daß überhaupt keine Pendulen nach Deutschland auswanderten und manche andern Kunstgegenstände als »Andenken«. Die Gattin eines hohen Generals zeigte der Gattin Bleibtreus naiv einen prachtvollen Gobelin aus der Kathedrale von Orleans, den ihr Bruder dort aufgabelte. So etwas kommt aber in jedem Kriege vor, oft entschuldigen besondere Umstände die Verfehlung, man nimmt mal herrenloses Gut, um es vor Zerstörung zu retten. Jedenfalls hat noch nie ein Siegerheer so verhältnismäßig schonend gehaust angesichts eines Volkskriegs, der immer zu Repressalien reizt. Die Franzosen aber wurden nicht müde, die gutmütigen Deutschen als eine Hunnenbande zu verunglimpfen.
    Die widerspruchsvollen Eindrücke des französischen Wesens bei dessen brennendster Feuerprobe vor deutschen Beobachtern kamen beim wahren Vertreter deutscher Nation auch widerspruchsvoll zur Erscheinung. Schon Capitaine d'Orcet fühlte bei der Sedankapitulation die Mischung von unerbittlicher Logik und menschlichem Mitgefühl. Moltke sei eiskalt gewesen ohne jede sentimentale Regung, der fürchterliche eiserne Kanzler aber ein humaner Mensch. Genau das gleiche verewigte ein anderer Capitaine Hérisson, als Paris und Frankreich endlich vor dem Gewaltigen um Frieden bettelten. Doch ehe dies geschah, ging ein Ereignis vorher, das den ganzen Himmel über Deutschland mit einem Jubelruf aller Deutschen auf Erden erschütterte.

Schon sehr frühe rauschte und raunte es durch den papiernen Blätterwald, noch mehr aber durch alle Wipfel deutscher Lande, daß jetzo die Stunde gekommen sei, wo der Kyffhäuser seinen schlafenden Kaiser wieder ans Licht schleudere. Mit stillem Lächeln hörte Otto auf Millionen Stimmen, denn so laut sie lärmten, eine lautere gewaltigere Stimme hatte ja er seit zwanzig Jahren im Ohre. Wenn es mit Schreien getan wäre! Die Ideologie, dies falsche Gegengift der Wirklichkeit, wirkt auf das Genie, den verkörperten Idealismus und gerade deshalb zu schöpferischem Realismus allein befähigt, als der infamste Feind. Wie Schöngeisterei noch nie einen Dichter hervorbrachte und auch nur begriff, so wird politische Schwärmerei nie den Schöpfer erfassen, bis er mit eiserner Faust seine Schöpfung auf die Beine brachte. Die Ideologie, diese Blutvergiftung des wahren Idealismus, schwafelt ohnmächtig ohne jedes Augenmaß für Realitäten und hat einen wunderbaren Instinkt für Kitsch, d. h. den Vollender an der falschen Stelle zu suchen. Die Schreihälse in Berlin ahnten nicht, wo der Haken lag. Allerdings wallte bei allen norddeutschen Fürsten und bei Baden das Herz ehrlich auf für die große deutsche Sache. Aber trotz der rühmlichen Gesinnung des Erbprinzen Ludwig, dessen englische Gemahlin Alice sich dem Georg Bleibtreu gegenüber bei dessen kurzer Rückkehr nach Deutschland als Großdeutsche aussprach, konnte man von Hessen-Darmstadt keinen bedingungslosen Anschluß erwarten. Es genügte, daß der ominöse Dalwigk als Unterhändler in Versailles erschien. Otto empfing seinen alten Frankfurter Bekannten mit sardonischem Lächeln. »Ach, die alten Zeiten, die gute alte Zeit! Das hätten wir zwei wohl auch nicht erwartet, an dieser Stelle uns gegenüberzustehen.« Der alte Rheinbündler mochte wohl auch daran denken, wie er in der Versailler Spiegelgalerie untertänigst vor dem Cäsar knickstiefelte und die verhaßte Germanengestalt neben sich mit argwöhnischen Blicken maß. Bei den Württembergern, die sich über jedes Lob erhaben bei Champigny schlugen, herrschte freilich eine deutsche Begeisterung, wie sie dem Stamme Schillers entsprach. Des Reiches Sturmfahne zu tragen, wie in alter Stauferherrlichkeit, schien dort der innigste Herzenswunsch. Außer dem Bevollmächtigten v. Faber, einem durchaus vornehmen Mann voll grenzenloser Bismarckverehrung, hatten die Schwaben zwei würdige fürstliche Vertreter im Felde: den

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