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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Kronprinzen Wilhelm, der voll edelster deutscher Gesinnung mit allen Großdeutschen fraternisierte, einem gemütvollen, vorurteilslosen, schlichtbürgerlichen Vorbild volkstümlicher Fürstlichkeit, und den unvergeßlichen Herzog Eugen, Sohn des gleichnamigen unsterblichen Helden der Befreiungskriege, dessen Andenken leider dem deutschen Volk verloren ging, weil an Rußland gekettet. Auch sein Sohn stand als Gatte der Großfürstin Wera, einer hochgebildeten Dame, russischen Kreisen nicht fern, war aber deutsch bis ins innerste Herz. Im ganzen Bereich des Kronprinzenheeres gab es keine beliebtere Figur als ihn mit seiner ewig vollen Zigarrentasche und Tokaierpulle, mit denen er die Vorposten beritt, um Offiziere und Mannschaften zu erfrischen. Als der edle Fürst diese berühmte Zigarrentasche testamentarisch »Freund Bleibtreu« vermachte, sprach diesem der Kronprinz des Deutschen Reiches scherzhaft-wehmütig seine Eifersucht aus, da er selbst auf die Tasche gewartet habe. All diese wundervollen Fürsten und Herren eines großen Geschlechts erfüllte eine so treue Menschenbrüderlichkeit alldeutscher Hingebung, wie keinen der Militärs, denen fast immer die Scheuklappen ihrer Standeserziehung den weiten Ausblick verhängen. Doch brachten hier vielfach die bayrischen einen volkstümlichen Zug in das Ganze. Jedenfalls trugen die Süddeutschen mächtig dazu bei, ein alldeutsches Fühlen und eine allgemeine Verbrüderung zu verbreiten. Die beiden bayrischen Korpschefs galten als besondere Vertreter großdeutscher Bestrebungen, wobei aber bezeichnenderweise der Reichsfreiherr v. d. Tann-Rathsamhausen entschieden freiere Volksfreundlichkeit als Chef der Holsteiner Freischaren ausprägte, als der aus niederen Kreisen hervorgegangene Hartmann. Dieser Sohn eines Schmieds verheiratete seine Tochter an einen verschuldeten Grafen Bothmer, sein stattlicher Sohn stolzierte auf Maskenbällen am Hofe in Tracht eines spanischen Granden, er selbst legte auf Ansehen bei Hofe Gewicht und konnte nie genug Orden haben. Doch mit besonderem Stolz trug er das Kreuz der Ehrenlegion, das ihm Napoleon I. selber verliehen habe, denn seine liebenswürdige Eitelkeit blickte auf eine erstaunliche Kriegerlaufbahn zurück. Als Pfälzer zum Empire gehörig, diente er als Unterleutnant in französischen Reihen und focht noch bei Waterloo hervorragend, indem er den Adler seines Regiments rettete. Obschon so mit der französischen Armee durch Erinnerungen verknüpft und dem großen Kaiser zeitlebens zugetan, bekehrte er sich schon früh zu wahrer Vaterlandsliebe. Daß er in der Jugend dem Bajuvarentum entrückt blieb, machte ihn eben bei dieser Bekehrung nicht zu einem Bayern, sondern einem Deutschen, was ihm hohe Ehre macht. Sein fränkisch-schwäbisches Korps, in dessen Lager vor Paris der Berliner Meister Bleibtreu eine besondere Heimstätte fand, wurde schon bald ein Zentrum der Kaiseridee im Heere. Fast alle Offiziere machten kein Hehl daraus, daß sie im Kronprinzen von Preußen, den überhaupt alle Bayern in ihr Herz geschlossen, den künftigen Deutschen Kaiser sahen. Bis in die Umgebung des Roi-Soleil von Hohenschwangau hinein blühte diese großdeutsche Begeisterung. So bei den Freiherrn v. Stauffenberg, von denen der eine später im Reichstag hervortrat, während sein ganz freisinniger und unabhängiger Bruder als Generaladjutant des Königs das allerhöchste Mißfallen erwarb, weil er, den hohen Herrn auf der Jagd wähnend, seinem Freunde Bleibtreu die feenhaften Privatgemächer in Schloß Berg aufschloß. Alsbald erhob sich in rosafarbener Beleuchtung ein Ritter Lohengrin, als wolle er eine Bravourarie herausschmettern, mäßigte jedoch seinen niederschmetternden Zornesblick zu huldvoller Handbewegung stummer Majestät: Tun Sie, als ob Sie zu Hause wären, ich räume das Feld. Übrigens trug er es Stauffenberg nicht nach, und es wäre überhaupt verfehlt, ihm eine fürstliche Haltung abzusprechen, über alles Kleinliche erhaben. Sein künstlerischer Enthusiasmus, für das Große und Schöne aus königlichem Herzen erglühend, hatte etwas Ehrfurchtgebietendes und Anfeuerndes, er hat sich um Deutschland das unsterbliche Verdienst erworben, Richard Wagner den Verfemten neben sich auf den Thron einsamer Größe zu setzen. In den Tiefen dieses krankhaft abnormen Organismus lagen gewissermaßen Märchenschätze aus dem Nibelungenhort altdeutscher Romantik, und doch irrt die Legende völlig, wenn sie ihn für einen bloßen Phantasten hält. Sein

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