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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Minister erzählte mal in München in engerem Kreise, er sei gestern zum Vortrag draußen in Hohenschwangau gewesen, da der König im ganzen nicht mit langweiligen Geschäften belästigt sein wollte und angeblich sein Ministerium regieren ließ. Er habe ruhig zugehört, am Schluß aber, indem er das Gewünschte unterzeichnete, kaltfreundlich gesagt: »Schon recht, lieber Lutz, aber vor einundeinhalb Jahren sagten sie im November genau das Gegenteil.« In diesem Sinne als einen »geschäftlich klaren« Herrn hat ihn auch Bismarck kennen gelernt und geschildert. Nur sein grenzenloser Cäsarenwahn, verbunden mit Menschenverachtung der Vielzuvielen, hat ihn gehindert, seine Begabung nutzbringend zu verwerten. Als Herrscher ging sein Sinnen einzig und allein in der Vorstellung auf, wie unsagbar vornehm Er und das Haus Wittelsbach seien und wie um Gottes willen die heiligen Reservatrechte des Bajuvarenreiches und das Föderativprinzip gewahrt bleiben müßten.
    Das deutsche Volk hat endlich das Recht, über alle Personen und Dinge jener großen Zeit die volle Wahrheit zu hören, und viele erwähnte Einzelheiten, den Outsidern natürlich unbekannt, geben erst das wahre Bild der geschichtlichen Tage. Später kamen eine Menge vordringlicher Streber, die nie eine kleinste Rolle gespielt hatten, und erfüllten die Bühne mit ihrem Gewimmel. Hofschranzen, Gründer, Fraktionsstreber, Journalisten, alles Leute, die den Ereignissen gänzlich fernstanden, spreizten sich in Berlin als Erben der Kämpfer und Sieger, die Krieger und ihre Vertrauten traten in den Hintergrund und dankten geschichtlich ab. Jetzt fabriziert man eine byzantinische Geschichte für den großen Haufen, worin der Bajuvarenkönig als Ludwig der Deutsche in die Walhalla einging.
    Diesem Deutschen schien ein Vorrang der Hohenzollern vor dem ältern Dynastenhaus Wittelsbach so unerträglich, daß er ein Alternieren beider Familien in der Kaiserwürde allen Ernstes aufs Tapet brachte. Während außer oberbayrischen Hetzkaplanen und dem famosen Sigl, den man persönlich gekannt haben muß, um seine Geschäftstüchtigkeit im Haß wider die »Saupreißen« zu würdigen, die ganze Bevölkerung in Einheitstaumel schwelgte, kostete der bayrische Hof dem Kanzler schlaflose Nächte. Immer wieder mußte er den Sisyphusstein rollen. Die bayrische Regierung betrachtete die Vereinung als eine frostige Konvenienzehe mit Gütertrennung, wo Otto eine Liebesehe zu schließen trachtete. Der nordische Bräutigam mußte in den notariellen Ehekontrakt allerlei Klauseln aufnehmen, die als Reservatrechte der eifersüchtigen Braut die Entrüstung der nationalliberalen Einheitsmajorität im norddeutschen Reichstag erregten. Nur Ottos Drohung, er werde sein Amt niederlegen, zwang das Mißvergnügen zum Schweigen, zur gleichen Ergebung in das Unabänderliche und das positiv Erreichbare, die ihn selber zu widerwilligem Verzicht zwang. Es gehörte Selbstbeherrschung und Selbstbezwingung dazu, sich über die Achselklappen der Uniformen zu streiten, das Kurze und Lange von der Sache blieb, daß das bayrische Heer selbständig im Bundesheer auftritt und seine Regimentsziffern außerhalb des sonstigen Rahmens läßt.
    Auch nach dieser Einigung, deren partikularistische Schranken den lebhaften Unwillen des Kronprinzen erregten, wäre es nicht zu weiterer abschließender Folge gekommen, wenn nicht Otto sich plötzlich an den Oberstallmeister Graf Holnstein gewendet hätte, der sich im bayrischen Lager einfand und wohl seinem Monarchen über die Stimmung seiner Truppen berichten sollte. Diese war selbst bei den Altbayern entschieden »kaiserlich«, der unerschrockene Reichsfreiherr v. d. Tann verehrte offenkundig in Preußen das Einheitsvorbild, wie er denn seine Tochter an einen einfachen märkischen Adeligen des Offiziersstandes verheiratete. Beim Korps Hartmann erhob schon in der eroberten Schanze von Clamart auf der Höhenterrasse, von wo man zuerst das Häusermeer von Paris überblickte, ein bürgerlicher Offizier sein Glas: »Auf den künftigen deutschen Kaiser« unter begeistertem Zuruf seiner Kameraden, ein gräflicher Offizier riß aber den Degen aus der Scheide und sprach von Hochverrat gegen den allergnädigsten König von Bayern. Doch entzog sich der kunstsinnige und seinem Herrn nahestehende Holnstein nicht der großdeutschen Ansteckung und ging gern auf des Kanzlers dringliche Darstellung ein.
    »Geschäftlich und legal hat Bayern alle Präsidialrechte des Königs von Preußen

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