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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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genießt, scheint mir auch bedrohlich.«
    »Deshalb wollte Bismarck früher mit dem gefangenen Kaiser verhandeln, doch der König wollte nicht.« Damals hatte er aus bloßer Verneinungssucht gegen den allzu berühmten Staatsmann den König dafür gepriesen. Jetzt auf einmal war er anderer Meinung. »Das wäre für uns das Beste, aber nun will wieder Bismarck nicht. Er ist voller Widersprüche.« Nur frisch kritisieren! Er hatte natürlich nicht die geringste Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse, daß jede Aussicht verloren ging, das Kaisertum den Franzosen wieder aufzuhalsen, und daß Otto klugerweise die Republik als Macht für minder gefährlich hielt als eine Revanchemonarchie. »Mich freut's aber, daß wir unseren Demokraten zeigen, wie solche Volksmilizen vor unsern geschulten Berufsheeren zerschellen. Die Deutschen haben leider eine ultrademokratische Denkweise, und der republikanische Schwindelgeist mit französischer Ansteckung würde uns ganz vergiften und auflösen.« Ganz richtig, doch niemand hätte vermutet, daß dieser so liberal sich gebende Herr auch ungeniert dem schönen alten Königtum eine Träne nachweinte, als dessen Tod er die große Veränderung auffaßte, über die jetzt auch der soeben eingetroffene Schleinitz, längst als Hausminister der Königin zur Ruhe gesetzt, tiefsinnig orakelte.
    »Eine bittere Notwendigkeit. Majestät kann sich noch immer nicht darein finden.«
    »Das Scheiden vom liebgewordenen Königtum seiner Väter fällt ihm so schwer«, nickte Blumenthal. »Ich fühle es ihm von Herzen nach. Se. Kgl. Hoheit find natürlich sehr erhoben und stolz, doch er gewinnt vielleicht nur eine Dornenkrone.« In solcher stockpreußischer Befangenheit urteilte also der angeblich freisinnigste unter den Generalen. Was konnte man da vom dürren Holz der eigentlichen Stockpreußen erwarten!
    Blumenthal schimpfte ununterbrochen weiter über die »Mordbrenner«, das Bombardement koste täglich vielmal mehr Leute als jeder frühere Zernierungstag, er stehe glänzend gerechtfertigt da. Dabei beschlich ihn aber ein Anfall von Verfolgungswahn, alles sei gegen ihn ungerecht, er tue doch niemand was, allerdings sei er intolerant und absprechend. Daß alle Welt in ihm einen Vorwurf sehe und sich über sein Lächeln ärgere, hätte ihn belehren sollen, daß im Gegenteil jetzt jeder die Wirkung der Beschießung mit Händen greifen konnte. Was vier Hungermonate nicht vermochten, geschah jetzt: Paris parlamentierte um Kapitulation. Da die vernichtenden Niederlagen von Chonzy, Faidherbe, Bourbaki den Parisern so gut wie unbekannt blieben, kann nur die Beschießung sie bezwungen haben. Wäre sie schon vor Monaten erfolgt, so wären sie schon damals kleinmütig geworden, während die Aushungerung sie nur wütend machte und ihnen als Armutszeugnis des Gegners galt. Die Neutralen gaben plötzlich ihr Drängeln auf, das Geheul über Entweihung der heiligen Stadt durch Hunnen und Barbaren verhallte in leere Luft. Faust und Zähne zeigen besänftigt platonische Menschenfreunde, deren verkniffener Neid zuletzt praktisch dem Sieger huldigt. Mit solchen Bösewichtern mag man sich nicht entzweien, dem endgültig am Boden liegenden Frankreich zeigte Europa die kalte Schulter. Das hätte man längst vor Weihnachten haben können. Die Verblendung einer Rasse, die aus bloßer Eitelkeit jede Vernunft abschwört, versteht weder eine loyale Großmut, die sie für Schwäche hält, noch abwartende Ruhe, sondern nur das gröbste Kaliber. Man muß die Demütigung ganz handgreiflich machen, sonst leugnen sie die Franzosen. Deshalb ärgerte sich Blumenthal diesmal nicht mit Unrecht, daß Otto im kleinen zu sehr entgegenkomme. »Dies Volk ist mir zu unangenehm, ich möchte es bis ins kleinste und bis aufs Blut gekränkt sehen.« Außer durch höfliche Redensarten einem Besiegten sein Los zu mildern scheint jedem Romanen unfaßlich, von Natur hart und grausam aus kalter, gemütloser Selbstsucht, die auch seinen Geiz verursacht, geradezu krankhaft am Besitz hangend. Die Nationalverteidigung erlebte nach dieser Richtung Trauriges bei den französischen Bauern. Freigebig, unter Umständen verschwenderisch, geht der Franzos nur mit einer Sache um, seinem Blute. Nur jene befangene Ungerechtigkeit, die leider vom Militärspezialismus aus guten Gründen unzertrennlich, bestreitet bis heute, daß die völlig grünen unausgebildeten Mobilgarden, einigemal sogar die Nationalgarden (Landsturm), ältere Männer, die noch nie eine Waffe in

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