Bismarck 02
ausschließlich seiner eigenen Souveränität frohe Bajuvarenfürst sich zu deutscher Haltung entschloß: Persönliche Bewunderung für den gewaltigen Germanenrecken, den gleichsam eine Musik von Richard Wagner umfloß und zu dem sich die allerdings auch typisch-germanische Idealität des Feudalromantikers landsmannschaftlich hingezogen fühlte. Daher verdankt Deutschland die Initiative des Königs, die zugleich seinem Dynastenstolz schmeichelte und ihm eine Erhabenheitspose gestattete, einzig Otto dem Großen, dessen geschickte Hervorhebung des Föderativprinzips in der Bundesverfassung auch den selbstsüchtigsten Interessen Rechnung trug. Für solche Selbstbespiegelung wesentlich unfreiwilliger historischer Akte und für die gotische Verschnörkelung des Reichsgedankens dem Schwanenritter von Hohenschwangau den Titel »Ludwig der Deutsche« aufzukleben, muß aber die unerbittliche geschichtliche Wahrheit entschieden ablehnen.
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Kaum war das bayrische Leiden beseitigt, fing das preußische an, man rang um den Begriff des Kaisertitels. König Wilhelm schien wenig geneigt, sein praktisches Einheitsrecht durch einen Titel verbrämen zu lassen, zu dem er keine innerliche Beziehung hatte. »Was soll mir der Charaktermajor?« frug er mit origineller Anschaulichkeit. »Diesen mir beigelegten ›Charakter‹ würde der Große König verschmäht haben, er leugnete und bekämpfte ihn. Auch dem Großen Kurfürsten war das Kaisertum feindlich. Die Könige von Preußen sind große Herren aus ihrem eigenen Recht und bedürfen nicht eines Ehrenamtes, das ihnen übertragen wird.«
»Es ist auch weniger eine Ehre als eine Pflicht gegen die deutsche Nation.«
»Pflicht, Pflicht! Die angestammte preußische Krone legt die Pflicht auf, ihr Ansehen als das oberste und großmächtliche unter den deutschen Fürsten zur Geltung zu bringen. Da will ich also lieber Präsident heißen.«
»Pardon, Majestät, es heißt verfassungsmäßig hier nur ›das Präsidium‹, ein Neutrum, ein Abstraktum. Als solch ein Schemen wollen doch Eure Majestät nicht Ihre Würde verflüchtigen lassen. ›Kaiser‹ klingt hingegen schwungvoll und höchst persönlich. Und würde Eure Majestät etwa ›König der Deutschen‹ besser gefallen, wie Seine Kgl. Hoheit der Kronprinz vorschlägt?«
»Mein Sohn hat immer seine eigenen Wünsche.« Der alte Herr runzelte verdrießlich die Stirn. »Das ist erst recht nichts. Damit würde ein König von Preußen sich nur degradieren, und wo bleiben dann die andern drei Könige, die auch Könige von Deutschen sind? Dann noch lieber Kaiser.« Dies war in den Anfängen. Damals hielt der gelehrte Freytag dem Kronerben tiefsinnige Vorträge darüber, der Kaisertitel sei eine Art Erbsünde der Deutschen, ihr stetes Unglück gewesen.
»Schon ein älterer Dichter singt: das Glück war niemals bei den Hohenstaufen. Dies ›römische‹ Kaisertum hat der Franke Karl der Große den Germanen aufgepfropft ohne jeden Gehalt und uns ausländischem Wesen dienstbar gemacht. Dazu gehört aber die Krönung in Rom. Sollen wir die etwa wieder aufnehmen? Der richtige heimische Titel hieß urgesund ›König der Deutschen‹, und so möchte ich es haben«, rief der Kronprinz.
Otto verbiß sein Lachen über solche ideologische Wortklauberei gelehrter Phantasten. »Nur kennt niemand im Volk diesen Titel, dagegen lebt in jedem der Kaisergedanke. Ein Sturm der Entrüstung würde in Deutschland losbrechen, wenn man sein Sehnen so unvollkommen befriedigte.«
»Aber es ist doch unhistorisch.«
»Was geht das uns an, die wir selber Geschichte machen? Da Österreich den Kaisertitel behielt und Frankreich ihn sich anmaßte, so gebietet die Würde der geeinten Deutschen, einen Kaiser an der Spitze zu haben. Der alte Barbarossa, der Kaiser Friederich, im unterirdschen Schlosse hält er verzaubert sich. Will's Gott, werden wir bald auch einen Kaiser Friedrich haben.«
Da man wußte, Kronprinz Friedrich Wilhelm wolle bei seiner Thronbesteigung nicht an die zweifelhaften Friedrich Wilhelm, sondern an den großen Friedrich im Königsnamen anknüpfen, verfing diese Anspielung sehr. Besänftigt schmollte der Kronprinz nur zögernd: »Barbarossa hat trotz alles Glanzes deutsche Kraft in die Fremde verpufft.«
»Aber wir werden doch heut nicht bis Sizilien einem Weltreich nachrennen! Solche transalpinen Wünsche liegen uns doch weltenfern. Die Herren Historiker täten wirklich gut, nicht immer ihre Vergangenheitsstudien auf die Gegenwart anzupassen, das
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