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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Hilfe verfertigten sich aber die meisten Herren Staatsmänner ein Hämmerchen von Papier, das keinem wehtut, und ihr Herzchen, wenn sie überhaupt eins besitzen, ist von Juchtenleder. Du aber, mein fernes Preußen, mußt wirklich Hammer oder Amboß sein, beides von richtigem Eisen.
    Die gastrisch-nervösen Schmerzen nahmen so zu, daß er wie erschlagen auf dem Rücken lag. Er schob es darauf, daß er aus überheizter Rennbahn ohne Pelz nach Hause ging, doch machten sich plötzlich die Folgen seiner Beinverletzung in Schweden fühlbar. Man bekämpfte das Übel auf echt russische Weise mit unzähligen Schröpfköpfen und Spanischen Fliegen, wobei sich auch eine Roheit der Behandlung bemerkbar machte, an die er aus politischer Sympathie und ausschließlichem Verkehr in den polierten hohen Kreisen nicht hatte glauben wollen.
    Schon dämmerte ihm ein besseres Jenseits, als er den sogenannten Ärzten begreiflich machte, ein weiteres Blutabzapfen könnten seine Nerven nicht aushalten, die durch achtjährigen politischen Ärger erschüttert seien. Da ließen sie von ihren Umtrieben ab und ließen die gute Natur walten, die sich denn auch mit Hilfe von Sekt erholte. Nur das damals geschundene linke Bein schmerzte noch. Seine erste Ausfahrt galt der Zarin-Witwe, die ihn als Landsmännin mit mütterlicher Güte überhäufte. Er nannte sie zärtlich in seinen Briefen »Kaiserin Mutsch«, wie er seine eigene Schwiegermutter betitelte.
    Diesmal traf er die hohe Frau auf einem Balkon, an einem schwarzroten Wollschal strickend. Schwarz angezogen, lag ihre imposante Gestalt auf einer Chaiselongue, und ihre tiefe, starke Stimme bewillkommnete ihn landsmannschaftlich auf Deutsch.
    »Ich muß Sie schelten, Sie haben sich nicht in acht genommen. So sind die Männer, und nachher müssen die Frauen sie pflegen. Nun, das ist unser Beruf. Ich muß Sie auch schelten, weil Sie so furchtbar offenherzig sind. Gortschakow erzählt dem Zaren davon Wunderdinge.«
    »Sicher nichts, was Seine Majestät verletzen und die Kreise seiner Politik stören könnte.«
    »Gott, nein! Mein Sohn ist ganz entzückt von Ihnen und zeigt es ja. So oft wie Sie wird kein Diplomat zu intimem Cercle eingeladen, neulich nahm Sie der Zar ganz allein in seinen Salonwagen, was nicht wenig Aufsehen machte, weil Sie in Zivil und ohne Orden waren.«
    »Es ist hier beim diplomatischen Korps nicht Brauch, Staatsuniform oder Ordenszeichen anders als bei offiziellen Anlässen anzulegen. Das hat natürlich Unzuträglichkeiten. Die junge Generation der Offiziere wird leicht unhöflich gegen Zivilisten.«
    Die Kaiserin lächelte. »Wir sind in einem sehr monarchischen Staat.«
    »Ach, in Paris ist es nicht anders. Ein ›dekorierter Herr‹ wird dort von der Polizei unglaublich estimiert, die sonst sacksiedegrob gegen das Publikum ist. Ich erlebte dort drollige Geschichten. Jeder Franzose, der die Ehrenlegion hat, trägt sie womöglich auf dem Schlafrock und geht damit zu Bett.«
    Das ehrliche, schöne Lachen der Kaiserin antwortete. »Das sind nun die Demokraten und die höflichen Franzosen!«
    »Reine Mythe. Die Franzosen sind innerlich weder Demokraten noch höflich. Niemand wird früher brutal, wenn er nur im geringsten gereizt wird. Sie schimpfen wie Rohrspatzen und sinken in der Wut auf ein Niveau der Unfläterei wie kein Barbar. Die Beamten sind abscheulich grob und dann wieder kriechend.«
    Sie seufzte. »Die traurige Menschennatur! Die Russen sind von Natur sehr gutmütig, glauben Sie mir, sie stehen den Deutschen am nächsten – wenigstens in der Gemütlichkeit,« verbesserte sie sich rasch – »und hatten auch immer Vorliebe für die Preußen.«
    »Nicht die junge Generation, wie ich mir untertänigst einzuwenden erlaubt. Die legt auch nicht viel Wert auf Höflichkeit der Formen.«
    »Ja, mir fiel dies auch auf. Was Sie von den Franzosen sagen, erklärt vieles, denn die jüngere Herrenwelt bezieht ihre Manieren fix und fertig aus Paris. Dort wird man jetzt sehr übermütig werden. Erst Magenta und jetzt vor vier Tagen Solferino. Sie hatten die Kunde wohl bald?«
    »Der Telegraph reist rasch. Die armen österreichischen Soldaten! Wie elend müssen sie geführt werden! Ein Clam-Gallas ist dabei, bei denen ist der Titel ›Heerestrommel‹ erblich, weil man von ihnen immer nur hört, wenn sie geklopft werden.«
    Die hohe Frau lachte herzlich. »Mich freut's, daß diese österreichischen Großtuer solche Trommeln haben. Doch in ihrer sündhaften Verstocktheit werden sie

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