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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Presse. Dieser Ruchlose habe Frankreich zum Krieg gehetzt und schüre auch in Petersburg. Daß das seiner Gesandtschaft nicht vorteilhaft sein konnte, und daß Schleinitz sein Ansehen beim Regenten möglichst untergrub, darüber machte er sich keine Illusionen. Das hielt ihn aber nicht ab, an Schleinitz ausführlich über die deutschen Angelegenheiten zu referieren, was dieser natürlich in den Wind schlug. Zum einen Ohr herein, zum anderen heraus, und zwischendurch Kanonendonner am Ticino, wie die rothosigen Zuaven und die blauen Bersaglieri mit dem Hahnenfederhut fraternisierten.

Da in so hohen nördlichen Breiten schon die Periode der Mitternachtssonne begann, besah er sich den bunten Schiffsverkehr auf der Newa bei Abendrot um Mitternacht und eine Stunde darauf lag das Morgenrot rosig auf dem Wasser. Aber daheim in Deutschland gab es kein Morgenlicht, nur politische Dämmerungszustände. In der unheimlichen Helle dieser nordischen Nächte, wo man ohne Kerze lesen konnte, sah er manchmal auf einer der kleinen Inseln nach dem Meere zu, wo eine besonders erquickende Brise wehte, und trank Tee nach russischer Art, gelben Karawanentee mit Zitronenscheiben, aus langen Gläsern. Die Fürstinnen Obolinski und Gagarin, die er von Frankfurt her kannte, beschäftigten sich mit dem Samowar und rauchten Papyruszigaretten, und er plauderte lässig mit einem neuen klugen Bekannten, dem Grafen Schuwalow.
    »Preußen mobilisiert«, begann dieser sorgenvoll. »Wie wird das enden?«
    »Mit unnützen Geldkosten. Preußen kann zu guter Letzt nicht so gottverlassen sein, sich Österreichs Übermut gefällig zu zeigen und ein paar Mittelstaaten, die über Nacht an deutschpatriotischen Wallungen leiden, nach dem Mund zu reden.«
    »Aber wenn Österreich vernichtet würde –«
    »Das würden wir wohl mit Recht nicht zulassen. Doch vorerst ist's weit davon. Stehen die Weißröcke erst in ihrer Festungslinie, können die Franzosen sich die Zähne ausbrechen. Und Preußen kann's nur recht sein, wenn sie gegenseitig mit ihrem Blut den Po und Mincio färben.«
    »Rußland dürfte wohl ähnlich denken. Sie behielten bisher recht, wir mobilisieren noch nicht. Aber wenn nun ganz Deutschland in seinem Franzosenhasse sich erhebt –«
    »Über Nacht aufsteht wie ein Mann?« Otto schüttelte wehmütig den Kopf. »Sie sind hier daran gewöhnt, daß der Lenz seine Zeit verschläft, sich aber dann plötzlich in einem Tage seine grüne russische Uniform anzieht. Die Deutschen haben ein gemäßigtes Klima, der Frühling kommt langsam, ein zu rasches Aufstehen behagt uns nicht, erst gähnen wir eine Weile.«
    »Napoleon zog ja schon in Mailand ein. Dies könnte das Signal sein für –«
    »Dies müßte es sein«, unterbrach Otto heftig, »für endlichen Einzug Preußens in seine Rechte. Würde heut der Bund aufgehoben und nichts an seine Stelle gesetzt, so würde diese negative Akquisition schon natürlichere Bedingungen schaffen. Die Mittelstaaten können jetzt ihrer Arroganz nicht frönen, wo es ernst wird und sie wie bange Küchlein zur Henne laufen, um unsern Schirm zu suchen. Das wird ein Heilmittel sein, ihnen für immer eine Dosis Preußenschreck einzuflößen und sie von ihrer Österreicherei zu purgieren. Hilft nicht dies sanfte Rhizinusöl, dann fürchte ich sehr, daß wir uns vom Deutschen Bund gewaltsam losreißen müssen mit Feuer und Schwert.«
    »Mit Feuer und Schwert?« Peter Schuwalow sah ihn erstaunt an. »Das sind starke Worte. Ist es denn so schlimm?«
    »Ja, und ich hoffe, daß Rußland in wohlverstandenem eigenem Interesse uns dabei helfen wird. Österreich strebte ja die Hegemonie in Europa an, die ihm in keiner Weise zukommt, und Sie erfuhren dies zur Genüge.«
    »Der Zeitpunkt scheint freilich günstig. Aber die deutsche Nation will doch Krieg gegen Frankreich, sagt man.«
    »Sagt man! Wer sagt? Besoldete Skribenten. Das Volk will niemals Krieg außer für eigene Lebensinteressen. Selbst der verblendeten Kreuzzeitung wird jetzt die Sache zu krumm, daß eine antipreußische Mehrheit am Bundestag uns ins Feuer schicken, ohne weiteres unser Heer zur Disposition für österreichische Hausinteressen verlangen will. Dieselben Kleinstaaten, die unsern Schutz nicht entbehren können und im Notfall so leicht die Farbe wechseln, sich zu Frankreich schlagen und uns mit dem verfahrenen Wagen im Dreck sitzen lassen würden! Diese Kompetenzüberschreitung sollte uns veranlassen, den Handschuh aufzunehmen und Revision der Bundesverfassung

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