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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Tagesqualm nach innen zieht.«
    »Die von der äußersten Rechten waren immer Ketzerrichter, und Eure Exzellenz haben vielleicht zu lange mit ihnen im eigenen Lager gehaust.«
    »Sagen wir: aus einem Topf gegessen. Die Sünden meiner Jugend!« –
    Nach Zusammenkunft des Regenten mit Franz Josef in Teplitz spöttelte Gortschakow: »Die Wiener Gemütlichkeit hat wieder mal Furore gemacht, nicht mal ein Linsengericht bekommt Preußen, es verkauft sich gratis.«
    »Ich mag's nicht glauben. Doch bin ich sicher, daß die Reizbarkeit und Unruhe der Wiener uns so oder so in Gefahr stürzt. Amtlich weiß ich nur, daß in Teplitz nichts Definitives beschlossen und unser Wohlwollen diesmal endlich von praktischen Konzessionen abhängig gemacht wurde. So ist's recht. Do ut des. Manus manam lavat. «
    »Ach, die Wiener haben eine besondere Seife, die nur zu eigenem Schaumschlagen dient, und keinem anderen die Hände wäscht. Man hat ohne jede schriftliche Garantie mündlich versprochen, Österreich beizustehen, wenn Frankreich in Italien es auch noch wegen Venetien angreife. Für Offensive sei man freilich nur bei eigener Einwilligung verpflichtet. Doch klingt dies nicht verfänglich? Kann man nicht ohnehin den Krieg provozieren durch dreiste Herausforderung, etwa wegen der Garibaldischen Abenteurer? Früher rechnete man auf Napoleons eigene Angst vor der republikanischen Revolution in Italien, heut kam man davon ab und will erneut die Dinge gegen Napoleon auf des Messers Schneide stellen. Das wird Rußland nicht dulden.«
    Rußland duldet dies nicht und das nicht. Nicht angenehm, daß wir von seiner Gnade abhängen. Aber es muß sein, auf lange hinaus. Ich tue hier ein sehr gutes Werk, uns das Wohlwollen zu sichern, das man in Berlin verscherzen wollte, und das nur durch mich erhalten und neu belebt wird. Vielleicht diene ich dem Vaterlande hier so gut wie in Frankfurt. Erst die nötigen Unterlagen schaffen, sonst bauen wir auf Sand. Ein Glück, daß die humanistisch gebildeten Grandseigneurs der älteren Generation noch am Ruder sind. Bei der nikolaitischen zweiten Altersklasse haben wir ja auch manche gute Freunde. Fürst Orlow ist zuverlässig, Sjuworow hat sich einst auf deutschen Universitäten herumgetrieben und bewahrt von daher Anhänglichkeit. Doch die Jüngeren, die sich später breitmachen werden, diese unfeinen Rüpel, die über jedes deutsche Wort die Nase rümpfen und jeden Zivilisten anrempeln, werden uns zu schaffen machen. Auf Gortschakow ist wohl auch nur Verlaß, solange er glaubt, mich zu belehren und am Gängelbande zu führen. Wir werden ja sehen, viel liegt verhüllet in der Zukunft Schoß.
    Meyendorff, der frühere Gesandte in Berlin, der einst die Kriege gegen Napoleon mitmachte und somit die feine Höflichkeit des alexandrinischen Zeitalters und die damals unerläßliche hohe Bildungsstufe in die nikolaitische rauhe Epoche hinüberrettete, und seine hervorragende Gattin, die Österreicherin, blieben Otto nahe befreundet. »Im Oktober großes Versöhnungstheater in Warschau, wo die beiden Kaiser und Ihr Regent sich umarmen werden? Billigen Sie das?«
    »Zurzeit ja. Der Zar wird gewissen Gelüsten einen Dämpfer aufsetzen. Ich begleite ihn auf allerhöchsten Befehl. Doch an der Wiener Politik wird sich nichts bessern, solange Ihr Herr Bruder seine eigenen Wege geht.«
    »Ich wollte nur, Sie wären ein Jahr lang dort Gesandter, um dem Karl ein Gallenfieber anzuärgern, diesem unvernünftigen Narren.«
    »In Ihrer Familie, gnädigste Frau, ist der Verstand ein Kunkellehen weiblicher Linie«, verbeugte er sich. Die Schmeichelei fiel auf fruchtbaren Boden, denn eine gerechte Schmeichelei wirkt doppelt. Es ist bezeichnend, daß die vielen nach Rußland verheirateten deutschen Damen, darunter die jetzige Zarin, die Zarin-Witwe, die Großfürstin Helene, vollständig Russinnen wurden. Bei andern Nationen pflegt das nie einzutreten, besonders nicht bei den Engländerinnen. Otto dachte ironisch an die preußische Kronprinzessin und die schreckliche Usedom.
    Johanna fand es behaglicher, als sie geahnt hatte. Die vornehmen Damen brauchten ihre Reize nicht zu beneiden, ihre ruhige Schlichtheit galt aber als très comme il faut . Die in dieser Hinsicht wirklich vornehm denkende russische Gesellschaft fand es entzückend vornehm, daß sie von vornherein kein Hehl daraus machte, Bismarcks seien arme Leute, die mit ihren lumpigen 20 000 Talern Gehalt nicht Staat machen könnten, wie der englische und französische

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