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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Regent sofort einfiel: »Die Traditionen, die mein hochseliger Vater hinterließ, sollen von mir heilig gehalten werden. Ich entscheide mich für den Gedankengang meines Ministers.«
    Otto verneigte sich und schwieg. Offenbar hatte man die Verhandlung nach Verabredung inszeniert, um Hohenzollern und Auerswald scheinbar einen Gefallen zu tun, die von Schleinitz als einer bloßen abhängigen Kreatur weiblicher Herrschsucht abrücken wollten. Otto machte sich wiederholter Gehorsamsverweigerung schuldig, indem er sich durch Sym- und Antipathien der regierenden Dame nicht überreden ließ, seine eigenen danach zu färben und sie dann seinem Herrn als Eigengewächs vorzusetzen. Natürlich wollte die Prinzessin das Beste, und hielt ihre Frauenweisheit für wohltätig. Es wäre ihr aber nie gelungen, den gesunden männlichen Sinn ihres Gemahls zu beeinflussen und seinen klaren Verstand zum Sprachrohr ihrer Launen zu machen, wenn nicht die angeborene deutsche Treue und das hochgespannte großdeutsche Vaterlandsgefühl des ungewöhnlichen Mannes ihn mit sentimentaler Ehrfurcht vor dem stammverwandten Kaiserhaus und mit unüberwindlicher Abneigung gegen den französischen Erbfeind erfüllt hätten, während sein Abscheu vor jeder autokratischen Willkür ihn von Rußland abstieß.
    Denn daß er auch ohne Bismarcks Zutun eine stolze Selbständigkeit und kluge Berechnung hervorkehren konnte zeigte seine Zusammenkunft Mitte Juni, wo Otto sich endlich mit Frau und Kind nach Petersburg begeben hatte, in Baden mit Napoleon. Dieser wollte tatsächlich mit Preußen ein ähnliches Manöver vornehmen wie mit Piemont, mit dem er schon zuvor Abtretung Nizzas abmachte; er wollte Preußen gewaltsame Einigung Norddeutschlands vorschlagen mit seiner Hilfe, und dafür das linke Rheinufer abknapsen. Doch der Regent umgab sich mit den vier anderen deutschen Königen und stellte sich als Deutschland, nicht als Preußen, gegenüber. Der Verführer änderte sofort seine Taktik und versicherte mit der Miene gekränkter Unschuld, nichts liege ihm ferner, als ein Stück deutschen Bodens an sich zu reißen. So kühl ablehnend bei aller Höflichkeit, so würdevoll stolz war die Haltung des Fürsten Wilhelm, daß Napoleon noch in der Thronrede des folgenden Jahres seinen Ärger in der allgemeinen Phrase ausdrückte: die Große Nation lasse sich durch Drohungen nicht provozieren.

Endlich traf Johanna mit den Kindern ein, und er führte sie im gemieteten Palais herum. »Du weißt, vom Grafen Stenbock. Das hier ist der englische Kai. Na, Jungens, was sagt ihr zur Newabrücke? Fein, was? Der Stadtteil hier heißt Wassili Ostrow. Russisch müßt ihr auch ein bißchen lernen. Ich kann's schon, halte mir einen eigenen Lehrer. Der Kaiser hat sich nicht schlecht gefreut, als ich ihn zum erstenmal Russisch anredete. Man muß mit den Wölfen heulen und mit den Russen russisch reden. Nun, Nanne, was macht Mutsch, und hat Väterchen die Ernte eingebracht? Ach, ich sehe ihn, wie er sein Samtkäppchen lüftet und anstimmt: Nun danket alle Gott? Ich danke ihm so sehr, daß er meine Liebe für Waldbäume verwöhnt und neue Schonungen anleget. Mir duftet das Nadelholz bis hierher. Gott grüß dich deutscher Wald! Hier sind alle Uniformen grün, doch die Bäume in Reih' und Glied, die ihre grünen Fahnen präsentieren, sind mir immer das liebste Regiment.«
    Johanna machte hier die gleiche Erfahrung wie in Frankfurt, nur in sehr verstärktem Maße, daß Otto sich in kurzer Zeit eine dominierende Stellung in der Gesellschaft eroberte. Als Russenfreund und Österreichhasser von vornherein mit jener überströmenden, feminin zärtlichen Herzlichkeit bewillkommnet, die beim Russen mit Ausbrüchen tierischer Wildheit und grausamer Härte wechselt, gewann er sich durch seine Persönlichkeit alle Herzen. Seine Beliebtheit kannte keine Grenzen.
    »Das ist ein wahrer homme du monde «, schwärmte die Fürstin Orlow. »Man denke an seine Vorgänger und was man sonst von Deutschen kennt, diese steifen, zugeknöpften, anspruchsvollen, falsch-wohlerzogenen Leute! Diese frische, offene und doch selbstbewußte Art harmoniert so gut mit dem Ton unserer besten Gesellschaft.«
    »Und dies exzellente Französisch!« hauchte der greise Reichskanzler a. D. Nesselrode. »Hier ist einmal ein Deutscher, mit dem man so leicht und sicher verkehren kann wie mit anderen gebildeten Leuten.«
    »Er ist ganz einfach einer von uns«, dekretierte der alte Fürst Sjuworow, was allgemein Anklang fand. Einer

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