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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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jedoch mit erhobener Stimme fort: »Die Stimme der Nation muß gehört werden. Sie haben wohl recht, Preußens Mission muß schärfer erkannt werden.« Sie verbreitete sich über unser geliebtes gemeinsames deutsches Vaterland und zitierte Goethe. Der König machte dem Gespräch, das alle Umstehenden, ein dichter Haufe, belauschen konnten, mit Würde ein Ende und nickte Otto ernst zu. Er legte Wert darauf, nicht den Eindruck zu erwecken, als ob er mit diesem fanatischen Reaktionär oder intriganten Bonapartisten, wie die zwei Versionen über den immer noch wütend verhaßten »Junker« lauteten, auf irgendwie vertrautem Fuße stände. Das huldvolle Benehmen der Königin ging weit über die Linie hinaus, die er sich vorgezeichnet hatte. Ob die hohe Frau einer großmütigen Wallung gegen einen Verkannten oder bloß der Abneigung gegen Bernstorff oder plötzlicher Entrüstung über die Anmaßung der Liberalen und irgendeine geheime Verfehlung Österreichs gehorchte, blieb ein Rätsel. Anscheinend lag ein häuslicher Meinungszwist über Behandlung der deutschen Frage vor. –
    Er war seelensfroh, daß er in seine intrigenfreie Häuslichkeitsluft an der eisigen Newa zurückkehren konnte. So ging ein neuer Frühling ins Land, ihm aber war nicht frühlingsfreudig zumute.
    »Ich gratuliere dir zu meinem Geburtstag«, schrieb er früher mit Humor an Malle. Sich selbst gratulierte er nicht mehr und kam sich vor wie ein Kunstreiter, der ein Bein brach. In Berlin schimpfen sie wieder? Das wäre mir leid, denn am Ende versetzen sie mich irgendwohin, Paris und London sind wieder vakant. Meine geistige Ermattung schaudert vor bewegten Verhältnissen, vor Ministerwerden bekomme ich eine Gänsehaut, wie ein zages Kind vor eiskalter Dusche. Ob ich in Paris bin oder hier, das macht für niemand den Kohl fetter, denn geschmaust wird doch nicht an Preußens politischer Hungertafel. Ich würde selbst mit Bern vorliebnehmen, langweilig, aber ruhig, wie sich's für alte Leute schickt. Leider keine Jagd, denn nach Gemsen klettern kann ich nicht. Hier faulenzt sich's gut, aber das Klima! Ich werde Schnupfen nie los, außer auf der Jagd. Johanna hustet zum Erbarmen, Bill hat die Bräune, die Gouvernante galoppierende Schwindsucht. Ein solches Lazarett muß man anderswohin verlegen.
    Im Mai mußte er seine Lenden gürten, während Johanna nach Reinfeld reiste, und wieder den Schlagbaum der Grenze bei Eydtkuhnen passieren. Wie freudig hatte er früher das Schwarz-Weiß begrüßt! Jetzt befiel ihn eine unheimliche Vorahnung, als ob dies vielleicht das letztemal sei, wo er diese Grenze berühre, und als ob ein schweres Verhängnis heranrücke. Im März übernahm Prinz Adolf Hohenlohe nach Rücktritt des Ministeriums Hohenzollern das Ministerpräsidium, hatte aber schon genug davon. Der König hatte notgedrungen die widerspenstigen Kammern auflösen müssen, doch die Neuwahlen stärkten nur die Fortschrittspartei, schwächten empfindlich die Alt-Liberalen (Gemäßigten) und zertrümmerten die so lange ihrer Tyrannis frohe Kreuzzeitungs-Rechte. Otto sah wohl ein, daß man jetzt ernstlich ihn als Minister ins Auge fasse, sträubte sich aber dagegen mit Händen und Füßen aus gleichen Gründen, wie damals unter dem verflossenen König. Die Hoffnungen, die er allezeit auf Wilhelm I. setzte, schienen ihm jetzt übereilt. Er glaubte nicht mehr an dessen Festigkeit, wenn die Königin ihren Einfluß ausspielte, täuschte sich auch nicht über die Verschlimmerung der Gegensätze, die ihn ohne Unterstützung oben und unten lassen würde. Nein, er wollte den Botschafterposten in Paris oder London annehmen, wo er wirkliche auswärtige Politik aus freier Hand zu machen hoffte wie in Petersburg. Sein Selbstgefühl wehrte sich gegen die Zumutung wieder im Gasthof vor Anker zu liegen wie ein Stellenjäger, um auf Beute zu lauern, auf eine gute Prise, die er gar nicht haben wollte. Bernstorff würde wohl aufatmen, ihn loszuwerden als beerbenden Nebenbuhler, und ihm das gewünschte Gesandtenamt oder seine Entlassung verschaffen können. Vorsorglich ließ er den größten Teil seiner Möbel nach Schönhausen schaffen, weil er sich entweder sogleich oder nach wenigen Monaten dorthin in stillen Hafen verziehen wollte, denn ließe er sich breitschlagen, in Ermangelung eines anderweitig vergebenen Gesandtenpostens doch noch Minister zu werden, so würde es ja nur kurze Zeit dauern.
    Der König war sehr gnädig. »Es tut mir wohl, Sie wieder zu haben.« Er sprach von

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