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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Worte machten Eindruck auf den König. »Ich gebe zu, daß man sich allseits nicht schön gegen uns benahm. Aber man kann doch deshalb nicht deutsche Fürsten in die Acht erklären, wie alte deutsche Kaiser dies vermochten.«
    »Ist auch nicht nötig. Wir können offen erklären, daß wir gewisse Grenzen der Sicherheit aller nicht überschreiten wollen, daß wir aber den Unsinn des sogenannten Deutschen Bundes recht- und gesetzmäßig korrigieren und ihn unserem Ideal anpassen wollen.«
    » Ihrem Ideal, meinen Sie. Ich werde selber bestimmen, wie weit wir zu gehen haben. Sie sind im Ausland noch hitziger geworden, nicht als Reaktionär, wie ich von Ihrer Russenbegeisterung fürchtete, sondern in einem anderen Sinne. Nun, wir reden noch darüber.«
    Der König sah ihm kopfschüttelnd nach, als Otto hocherhobenen Hauptes nach der zeremoniellen Verbeugung von dannen ging. Ein hochbegabter, charaktervoller Mensch, aber noch so jung! Kaum anders wie als Jüngling. Das könnte ein unbequemer Minister werden, der uns in schwere Gefahren brächte. Er hat gut reden. Wie soll man große Politik machen, wenn man sich nicht auf Kriegsfuß setzen kann! Ehe ich nicht die Heeresreform habe, ist das alles müßige Träumerei. –
    Der Prinz von Preußen hatte früher dem Dichter Scherenberg als »bescheidene Gegengabe« sein gedrucktes Memorandum über die Heeresreform geschenkt, von dem jede Zeile wichtiger war als das ganze Waterloo-Epos in Streckversen, das der verflossene Romantiker auf dem Thron am Hofe einer Tafelrunde als Rhetorikübung hochtönend vorlas. Zwischen Größe und Bombast schwankend, hatte der patriotische Dichter, weil er trotzalledem ein wirklicher Dichter war, seine Anstaunung des korsischen Riesen nicht verborgen. Es bezeichnete den allezeit überragenden Hochstand preußischer Bildung, während das übrige Deutschland sich in albernen Schmähungen der Borussen und Wenden erging und seine pseudoästhetischen Neigungen dem angeblichen Junkermilitarismus entgegenzustellen die Dreistigkeit hatte, daß kein Mensch an dieser Verherrlichung Napoleons Anstoß nahm. Der mit jährlichem Ehrensold belohnte Scherenberg (eine gleiche Gabe, mit preußischer knapper Sparsamkeit bemessen, flog dem Lübecker Epigonen Geibel zu, der im Münchener »Krokodil« Einheitsästhetik trieb) ist heut längst verschollen. Auch er gehörte zu jenen, die unsterblich sind, solange sie leben, während die wahren Unsterblichen verkannt und unerkannt durchs Leben zu schreiten pflegen. Aber damals fand ein genialer Mensch, der eine neue Note anschlug, Ferdinand Lasalle, die so bedeutend, daß er in der Spenerschen Zeitung Scherenbergs Epos und Bleibtreus vaterländische Bilder aus den Befreiungskriegen, die gleichfalls dem demokratischen Cäsar huldigten, in einer aufsehenerregenden Rezension zusammenfaßte. Auch der Historiker der Befreiungskriege, Major Beitzke, nahm auf beides Bezug. Dessen schon vor sieben Jahren begonnene und neu fortgeführte Geschichte der Befreiungskriege wandte sich an das edelste aufgeklärte Vaterlandsempfinden, und es war ein Zeichen der Zeit, daß dieser Militär a. D. zur Fortschrittspartei gehörte und von ihr, die ganz Berlin regierte, mit einem Ehrenpokal ausgezeichnet wurde, dessen Überreichung man sehr törichterweise einem Grafen York von Wartenburg übertrug. Der alte, erzfeudale York, lebenslanger Hasser Scharnhorsts und Gneisenaus, an der Tauroggener Konvention höchst unschuldig, die ihm der vielverkannte König befahl, hätte sich im Grabe umgedreht. Doch daß die Radikal-Liberalen alle Helden der Befreiungskriege inbrünstig ins Herz schlossen, hatte eine tiefe Bedeutung. Ob der König und Otto diese Zeichen der Zeit verstanden? Kein Dokument spricht dafür, es bleibt zweifelhaft. So völlig bleibt der Mensch von seinem Milieu abhängig, daß beide sich zwar völlig von der Kreuzzeitungsklique lossagten, aber kaum ahnten, daß ihre wahren Freunde im anderen Lager standen. –
    Prinz Hohenlohe-Ingolfingen schüttete Otto sein Herz aus: »Ein Martyrium! Die Flut der Parlamentswirtschaft steigt, meine Kollegen sind machtlos, Seine Majestät schwankend. Die neue Fortschrittspartei ist gefährlicher als alle 48er. Man will mit Gewalt die Heeresreform scheitern machen, patriotische Phrasen verhüllen kaum die böse Absicht. Durch Gerede über Zurücksetzung der Landwehr wiegeln sie das Land wider uns auf. Erlösen Sie mich von dieser Bürde, ich beschwöre Sie. Ich bin alt und gebrechlich. Sie sind noch

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