Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
so jung und stark. Sie werden's besser tragen.«
    »Meine Gesundheit war sehr erschüttert«, sagte Otto düster. »Heut bin ich zwar wieder auf dem Posten, doch mein Sinn steht nach Ruhe.«
    »Dem Befehl Seiner Majestät werden Sie sich doch nicht entziehen?«
    »Das nicht. Aber ich müßte Garantien haben. Nie und nimmer übernehme ich das Innere allein. Und Bernstorff will nicht gehen. Auch hat v. d. Heydt selber den Ehrgeiz, Ministerpräsident zu werden.«
    »Als Finanzminister? Das geht doch nicht.«
    »Bei uns geht alles. Freuen sich Durchlaucht nicht zu früh! Ich hoffe immer noch, nach Paris zu kommen.« –
    Er fuhr nach Sanssouci hinaus, das er seit vielen Jahren nicht wiedersah, um der verwitweten Königin sein Beileid auszudrücken. Sie hatte alles vergeben und vergessen und tauschte wehmütige Erinnerungen mit ihm aus. In den vollbelaubten schattigen Eichen und breitgewölbten Kastanien rauschte es wie ein Klagelied der Vergangenheit. Die schöne und edle Frau in ihrer Trauertracht saß wie eine Niobe über den Leichen ihrer Hoffnungen. Doch wandelte hier nicht der Geist des Alten Fritz durch seine Gemächer? Gibt es nicht Menschen und Dinge, die niemals sterben? Noch ist Preußen keine Leiche, sondern ein schlafender Recke wie der alte Herr im Kyffhäuser. Die Raben kreischen lauter und lauter, und Wodans Raben tuscheln ihm ins Ohr: Wecke den Schlafenden, du Gott der Deutschen, und gib ihm sein Schwert in die Hand! –
    Auf einer Parade begrüßte ihn der König vom Sattel aus: »Guten Tag, Herr Major!« Die militärische Rangerhöhung freute ihn, die neue weiße Uniform seines Halberstädter Kürassierregiments stand ihm gut. Mit 46 Jahren haben wir's also zum Major und zur Exzellenz gebracht, nach preußischen Begriffen früh genug. Es sind mir noch nicht mal die Zähne ausgefallen, bloß die Haare. In meinem Alter haben viele große Dichter und Künstler längst ihr Werk vollbracht, und trat Napoleon von der Bühne ab. Der große König begann den Siebenjährigen Krieg, Cromwell schwang sich zwar erst als Vierziger in den Sattel, aber dann gings auch schnell. Und was kann ich vom weiteren Leben erwarten? Als wohlbestallter Gesandter a. D. mich zur Ruhe zu setzen, auch ein Ministerium von höchstens halbjähriger Dauer wird eine unangenehme Erinnerung sein. So halte ich's nicht länger aus, ich explodiere. – Er lief Sturm bei Bernstorff: Entlassung oder ein Amt! Er hatte es binnen drei Stunden, und packte seine Koffer nach Paris. Nanne sollte nachkommen, sobald er dort Quartier geschafft. Der König hatte sich's also doch anders überlegt. Er wollte mit dieser Mischung von angeblichem Reaktionär und entschiedenem Revolutionär nichts zu tun haben vorderhand.
    *
    Nun saß er also wieder glücklich in Paris, von wo sein Vorgänger Pourtalès schon verschwand, hatte aber keine Sicherheit, ob er bleiben oder nicht nach London übertragen werden würde. Auch die Möglichkeit der Ministerschaft stand immer noch als Schreckbild im Hintergrund. Das Gesandtschaftspalais roch kloakig und hatte zwar schöne, aber düstere Räume. Den Koch mußte er wegen Veruntreuung entlassen und auswärts essen. Jenseits blinkte die Seine, Hummeln brummten über Rosen hin, Spatzen hüpften auf dem Rasen und sagten sich Injurien wie echte Franzosen, ein lauer Wind strich von den Tuilerien her, wo der Schiedsrichter Europas allerlei Ränke spann. Welche? Nitschewo!
    Napoleon nahm seine Beglaubigung freundlich entgegen. Nach feierlicher Auffahrt in Hofequipage und zeremoniellem Aufmarsch von Hofbeamten des »Kaiserlichen Hauses« verlief die Audienz sehr kurz. »Auf Wiedersehen, mein lieber Herr Gesandter! Die leidige Politik auf ein andermal in diesen Tagen!«
    In der folgenden Privataudienz berührte man allerlei schwebende Fragen, die immerfort schwebende blieben. In Holstein spukte es schon wieder, die Dänen wurden täglich übermütiger im Umgehen oder Brechen der eingegangenen Verpflichtung. »Ich würdige die Mißbilligung in Deutschland. An mir werden Sie stets einen freundlichen Vermittler finden, Frankreich ist der natürliche Protektor aller Rechte und Freiheiten der Schwächeren.«
    Vermittler der Schweiz und Protektor des Rheinbunds! summte der alte Napoleonstitel ihm durch den Kopf, laut aber versetzte der Preuße: »Wie Eure Majestät es in Italien bewiesen.«
    »Es erhob mein Gemüt, daß Ihr Minister Schleinitz in einer Note die Gründung des Königreichs Italien willkommen hieß und mit der Genugtuung

Weitere Kostenlose Bücher