Bismarck 02
werter Herr Gesandter?« fragte der Kaiser über den Tisch. »Wenn Ihre Feinde nun den Sieg davontragen?«
»Das wünsche ich ihnen von Herzen. Unsere Wilhelmstraße, die Ihrem Quai d'Orsay entspricht, flößt mir keine Sehnsucht ein.«
»Ach, wirklich? Und dann werden wir Sie hier behalten? Um so besser! Ja, ich vernahm mit Bedauern, daß Sie kränkeln, und da werden Sie wohl vorziehen, einer so schweren Verantwortlichkeit aus dem Wege zu gehen.«
»O nein, Sire. Wenn es sein müßte, so würde ich meinen König und Herrn nicht im Stiche lassen. Das wäre weder Treue noch Mut.«
»Ah bravo!« Der Kaiser erhob seinen Champagnerkelch. »Diese wackere deutsche Nation war immer berühmt wegen ihrer Treue. Wohl dem Souverän, der solche Diener hat, die immer bereitstehen, sich seinem Willen hinzugeben!«
Dieser Stich ging natürlich auf unterschiedliche Würdenträger an der kaiserlichen Tafel. Der österreichische Gesandte horchte angestrengt hinüber. Otto war sicher, daß jeder Anwesende seine ablehnende Haltung als die bekannte Zierereiposse auffassen und der Österreicher spornstreichs nach Wien berichten werde, der böse Bismarck wolle mit aller Gewalt Ministerpräsident sein. Der jetzige Leiter der österreichischen Politik wäre sonst imstande gewesen, aus purer Privatbosheit seine Festlegung in Berlin zu befürworten. Dies war nämlich kein anderer als Graf Rechberg, sein alter Kollege, dem er so viele schlaflose Nächte verdankte, und den seine Galle in dauernder Erinnerung hielt. Bei den geheimen Verbindungen Österreichs am Berliner Hofe tat Rechberg natürlich alles, um ein Ministerium Bismarck zu hintertreiben. –
Der sächsische Gesandte lud ihn zu einem zwanglosen Herrendiner in der »Kleinen roten Mühle« ein, zu Ehren des sächsischen Premierministers Beust. Otto kannte diesen gefährlichen Intriganten schon von Begegnungen in Frankfurt her und beschloß, ihn möglichst hinters Licht zu führen. Sie hatten eine längere Unterredung und gingen als ziemlich gute Freunde auseinander. »Natürlich bin ich um Preußens Würde besorgt. Aber die Absichten, die man mir gegen Österreich unterschiebt, waren nie vorhanden. Wir möchten so gern mit dem Kaiserstaat in Frieden leben! Überhaupt tut uns allen der Frieden not. Jeder Krieg entfesselt nur umstürzlerische Elemente, Sie sehen es an Italien. Diese niederzuhalten wird meine vornehmste Sorge sein.«
»Das ist es, was ich begrüße. Alle deutschen Dynastien haben nur den einen gleichen Feind, die Demokratie. Mit dem Ausland werden wir uns schon vertragen. Freilich, Ihre Hinneigung zu Rußland –«
»Kann sehr wohl mit bundesfreundlicher Gesinnung für Österreich Hand in Hand gehen. Wenn man uns nur etwas freien Atem schöpfen läßt! Was ich vor allem wünsche, ist festere Konsolidierung des Zollverbandes wenigstens in Norddeutschland. Ich denke, mit der Quote des Nettogewinns könnten Sie zufrieden sein.«
»In der Tat. Ich glaube, sagen zu dürfen, Sachsen wird Ihren Wünschen in dieser Hinsicht Rechnung tragen. Überhaupt würden wohl alle deutschen Regierungen gern Anschluß an Preußen suchen, wenn nur nicht dabei die Verbindung mit Österreich gelockert wird.« Wasch mir den Pelz und mach' mich nicht naß! Otto zeigte sich hochbefriedigt, und Beust beteuerte nachher dem österreichischen Gesandten, der Teufel sei nie so schlimm, wie man ihn an die Wand male. –
Roon hielt ihn auf dem Laufenden. Bernstorff wollte noch immer nicht gehen, dabei wanderte Schleinitz noch im Ministerium als einflußreicher Schatten umher und schien nicht übel Lust zu haben, selbst das Präsidium zu übernehmen. Hohenlohe ging auf Urlaub und würde wohl nicht wiederkommen. Bernstorff aber stand mit einem Fuß in Berlin, mit dem anderen in London, wohin er sich zurücksehnte. Alle Patrioten wünschten Ottos Rückkehr. Doch dieser wußte wohl, daß Roon damit nur das Häuflein der Konservativen in der Kammer meinte, nur fünfzehn Stück, dazu die Offiziere und Landjunker, denen jede politische Bedeutung fehlte. Er schrieb an Roon, er denke nicht an Zaudern und Manöverieren, aber man nehme in Berlin die Scheingefechte mit Platzpatronen zu ernst. Vor seinen drei Attachés, Prinz Reuß, Hatzfeld dem Jüngeren und Nostiz, führte er das Gleichnis noch weiter aus als im Brief an Roon: »Diese Parlamentsschwätzer glauben gottweißwas ersiegt haben, wenn sie der Regierung eine Grobheit sagten. Und dabei fochten sie gegen einen markierten Feind, der nirgendwo steht
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