Bismarck 02
nicht zurückhielt, ein freies, starkes Italien werde Europa wohlgefällig sein.« Napoleon lächelte gutmütig und strich seinen langen Knebelbart. Ein Kater schnurrt ja auch so gemütlich und samtpfotig, nur muß man keine Maus oder kein Vöglein in seine Nähe bringen, dann merkt man seine Krallen. »Auch für Deutschland bricht vielleicht eine schöne Zeit an, wo manche Ideale sich verwirklichen.«
»Doch wohl in anderem Sinne, Sire. Die Umstände sind zu verschieden. Uns taugen weder Garibaldi und Mazzini, noch ein Cavour.«
»Ein Cavour wäre doch wohl möglich?« Doch Otto machte den Dummen und konnte durchaus nicht einsehen, daß für Preußen eine ähnliche Politik möglich sei wie für Piemont. Letzteres verdanke ja sein Aufsteigen auch nur der Großmut und Macht des Kaisers der Franzosen. Einen so uneigennützigen Menschenfreund werde aber Preußen nie gewinnen. Sein Ton fiel ins Elegische. Napoleon schmunzelte.
»Wer weiß! Es kann noch manche Überraschung kommen. Jede bestehende Dynastie in Deutschland ist mir sympathisch, aber vor allem Preußen, dem ich meinen Beifall nicht versagen werde. Sowohl mein Vertrauen als das Ihrer Parteien im Inneren wird sich heben, wenn Ihr Souverän, mein Herr Bruder und Freund, sich der deutschen Frage annimmt.« Lauter dunkle, aber schöne Redensarten. »Jedenfalls ist mir angenehm, Sie hier zu wissen. Ich fasse Ihre Ernennung als ein Entgegenkommen Ihres illustren Souveräns und als ein Wahrzeichen auf, daß die Freundschaft unserer Regierungen nie mehr getrübt werden wird. Mir blieb natürlich nicht unbekannt, daß Sie in Ihrem Vaterland bei Übelgesinnten als Parteigänger Frankreichs gelten. Mein Botschafter in Petersburg meldete mir auch Schönes. Seien Sie versichert, daß wir Ihnen Ihren Aufenthalt soviel wie möglich versüßen werden. Frankreich kennt seine Freunde und ist ihnen erkenntlich.«
»Ihre Gnade, Sire, überhäuft mich mit Güte. Was an mir ist, geschieht gewiß, unsere Verbindungen so eng wie möglich zu gestalten.«
»Sehr hübsch. Nur sagt man mir, Sie würden vielleicht bald anderen Bestimmungen folgen?« Er schoß wieder einen seiner lauernden Blicke ab, die so plötzlich die katzenhafte Sanftmut seiner verschleierten Augen änderten. »Das könnte freilich unseren politischen Beziehungen nur vorteilhaft sein.«
»Das ist sehr unsicher, Sire. Mein Wunsch steht nicht dahin.«
Napoleon lächelte gutmütig. Daß der Mann mir mit solchen Scherzen kommt! Noch kein Ministerkandidat sprach anders. Als ob es Menschen gebe, die nicht Ministerpräsident werden wollen! »Stellen Sie sich auch der Kaiserin vor! Sie ist Ihnen gewogen.« Louis sah wohlgenährt und behäbig aus. Die Karikaturen im Kladderadatsch, wo er nur immer »Er« hieß, stellten ihn fälschlich als dicken Alten dar. –
Die Kaiserin, etwas stärker geworden, blendete noch mehr als früher durch ihre gebietende Schönheit. Er hatte in ihr die reizendste Tischnachbarin, die ihn klug und heiter unterhielt über Oper, Theater, die Damen von Petersburg, nach denen sie ihn ausfragte, und andere schöne Dinge. »Wieviel Visiten machten Sie schon?«
»Gestern nur achtundsechzig, Majestät.«
Sie lachte. »Solch ein armer Gesandter führt doch ein geplagtes Leben! Erst muß er amtlich seine Vollmacht präsentieren und nachher sich selber sämtlichen Bekannten, was bei einem Diplomaten die halbe Welt bedeutet. Viele Russen hier, nicht? Daß diese armen Leute nicht erfrieren! Wir Südländer haben es besser bei unserem milden Klima.«
»Sehr milde«, bekräftige Otto trocken. »Ich bewundere die Abhärtung der Pariser.«
Es regnete nämlich auf Tod und Leben, Tag und Nacht, dazu abscheulicher Wind, und das im Juni! Dabei ließ man Türen und Fenster offen, heizte nicht mal die räucherigen Kamine, und hielt pour l'honneur de la France an der Behauptung fest, daß Paris ungefähr auf gleichem Breitegrad mit Neapel liege. Ein konsequentes Völkchen! Ihre Eitelkeit erstreckt sich sogar noch auf das Klima.
»Ach, der gesunde Regen! Das macht uns nichts. Den schickt der gute Gott extra für unser schönes Frankreich, besonders die Touraine. Ich höre, Sie waren krank. Ach, da werden wir Sie schon pflegen mit der französischen Küche. Wie Sie wissen, ißt man nirgends so gut wie in Paris.« Auch diese fixe Idee läßt sich den Parisern nicht austreiben. Und dabei fühlte Otto schon Magenbeschwerden von dem vielen Fett und Gewürz der Ragouts.
»Noch immer keine Zitation aus Berlin, mein
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