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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Überbleibsel je besichtigt hätte. Kam Ihnen das nicht vor wie ein fossiles Skelett aus der Saurierzeit? Indessen ist hier nicht die Rede von jener alten Zelebrität, noch von der neuen unserer originellen Fürstin Pauline, sondern von dem jetzigen Träger des Namens, den mir Österreich als Vertreter schickte. Um es kurz und deutlich zu sagen: man hat mir vor einigen Tagen die seltsamsten Anerbietungen gemacht. Ihre Ernennung hierher und die Ankunft des Herrn v. Budberg russischerseits scheinen eine Panik in Wien verursacht zu haben. Graf Rechberg träumt von einer französisch-russisch-preußischen Verschwörung zur Vernichtung Österreichs. Fürst Metternich hat weitgehendste Instruktion mit unbegrenzter Vollmacht erhalten, man wolle sich mit mir verständigen um jeden, ja, um jeden Preis.«
    Otto blieb ruhig. »Und was antworteten Sie, Sire?«
    »Ich war wirklich in Verlegenheit, wie ich höflich bekunden sollte, daß unsere Interessen ganz unverträglich seien. Natürlich lehnte ich ab. Sie werden mein Vertrauen nicht mißbrauchen.«
    Der Preuße verneigte sich. »Wir sind Eurer Majestät zu Dank verbunden. Übrigens ist mir nicht neu, daß Österreich zu jedem Opfer bereit ist, wenn es nur uns einen Possen spielen kann.«
    »O, ich werde mich wohl hüten, mich mit solchen Leuten einzulassen. Wissen Sie,« das Gesicht des Kaisers nahm einen düsteren, mystischen Zug an, der seinem Inneren nicht fremd war, »lächeln Sie nicht über meinen Aberglauben, aber dies Österreich bringt Frankreich immer Unglück. Anna von Österreich, Marie Antoniette, Marie-Luise, alle drei Töchter der Cäsaren, brachten uns Umwälzung und Unheil. Ich habe die dunkle Ahnung, daß Frankreich allemal Verderben droht, wenn es sich mit Österreich verbindet.« –
    Man bot ihm womöglich Venetien und das linke Rheinufer, dachte Otto grimmig. Er mag übertreiben, doch fähig sind sie zu allem. Er schlägt das aus, weil er als kluger Lotse berechnet, daß der Wind konträr für Österreich weht, weil es unmöglich den zeitgemäßen Kurs der Nationalitätenfrage innehalten kann.
    Die wahrscheinlich absichtliche Unvorsichtigkeit Napoleons verwertete er zu einem Schriftstück an den König. Hier sei der Beweis, daß wir nie auf Bundestreue Österreichs und nie auf Einwilligung zu unseren deutschen Plänen rechnen dürften. Dies machte auf die Rechtlichkeit und deutsche Gesinnung des treuen ritterlichen Königs gewiß einen Eindruck.

Nach London hinübergesegelt, bezog er eine Wohnung in Grosvenorsquare, Parkstreet, so ziemlich der vornehmsten Straße, und besah sich die Weltstadt vier Tage lang, wobei er den eigentlichen Zweck seiner Reise verwirklichte, mit dem ansehnlichsten britischen Staatsmann etwas Fühlung zu nehmen. Ein Diner beim russischen Gesandten, zu Ehren des Großherzogs von Weimar, bot ihm die erwünschte Gelegenheit, mit Disraeli zusammenzutreffen. Diese Berühmtheit betrachtete er mit besonderer Neugier, weil der getaufte Jude, ganz ähnlich wie Stahl in Berlin, die Säule der Konservativen vorstellte und den stolzesten Adel Europas an den Triumphatwagen seiner wilden Streberei spannte. Völlig gesinnungslos, warf er sich als Jüngling in den Radikalismus, fand aber bei den Liberalen wenig Gegenliebe und vor allem kein Amt, infolgedessen er sich an die Tories heranmachte, die an geistiger Auszehrung litten, hier empfand mau das Bedürfnis, eine Intelligenz zu kapern, und es währte nicht lange, daß ein Jude – unerhört in England – zum leitenden Parlamentarier aufstieg. Er verriet dabei seinen früheren Gönner Peel in zynischer Weise und überhäufte all seine Gegner mit beißenden Witzen. Einen geistreicheren Debattierer gab es nie, die Anschaulichkeit seiner treffenden Gleichnisse bewies, daß er eben eine künstlerische Natur war, nicht ganz unähnlich dem unbekannten Deutschen, der ihm jetzt vorgestellt wurde. Ungesund frühreif spielte er eine politische und literarische Rolle in einem Alter, wo der Deutsche, fern jeder öffentlichen Betätigung, noch in grüner Jugendeselei Lehr- und Wanderjahre durchschwärmte. Frivol bis ins innerste Mark, spielte er auch gern ein erotisches Trente et Quarante , ein Liebling der Frauen im gefährlichen Alter. Der elegante Benjamin mit langen talmudischen Schmachtlocken und bunten, extravaganten Kostümen mißfiel den Männern, die etwas so Unenglisches nicht dulden wollten, gefiel aber den Damen, die sich für alles Auffällige und Ungewöhnliche erwärmen. Die Männer

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