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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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und nicht zurückschießen kann. Denn die Regierung als bloßer Begriff ist eine harmlose Vogelscheuche, die aber verteufelt lebendig wird, wenn das Abstraktum die konkrete Gestalt der bewaffneten Regierungsgewalt annimmt. Nun könnten die naiven Scheinfechter sich einfallen lassen, als Marodeure auf dem Rechtsboden des Staates zu plündern. Dann würde der markierte Feind plötzlich ins Leben treten und scharf schießen. Jede revolutionäre Bewegung, die mit Papierkugeln um sich wirft, hat nicht die geringste Aussicht. Die Fortschrittspartei hat die Verfassung, und der König hat die Kanonen.«
    »Wenn sie aber alle Regierungsvorlagen ablehnen und das Budget verweigern?«
    »Dann ignoriert man sie einfach. Ihre legale Gewalt ist Null, und selbst wenn sie recht hätten, Macht geht vor Recht.« –
    Auf einmal tauchte wieder der unvermeidliche Harry Arnim auf, den, wie einst in Frankfurt, zufällig sein Urlaub zu seinem Jugendfreunde führte, dessen Einfluß man sich warmhalten mußte. Der kundige Ödipus wollte durchaus das Rätsel lösen: wird er's oder wird er's nicht? fand aber die Sphinx undurchdringlich, weil er natürlich Ottos gelassener Wahrheitsliebe nicht traute. Als der Graf von einer Reise noch London schwärmte, stimmte der Gesandte bei: »Warum nicht? Irgendwelche Geschäfte gibt es hier nicht, da könnte ich mir wohl England noch einmal ansehen. Denn wenn ich Pech habe und Minister werde, sitze ich nächstes Jahr für immer in Schönhausen als Pensionierter, und dann kann ich keine kostspieligen Reisen mehr machen als Sparer für die Familie. Topp! Ich fahre mit.«
    Dahinter steckt wieder eine verteufelte Schläue! grübelte Graf Harry. Wahrscheinlich eine Erpressung auf den Londoner Posten, oder er will sich rar machen und tut so, als ob er nicht fieberhaft täglich auf Telegramme aus Berlin warte! –
    Vor seiner Abfahrt genoß Otto jedoch noch eine eigentümliche Enthüllung. Zur Hirschjagd nach Fontainebleau eingeladen, erhielt er vom Kaiser die Aufforderung: »Kommen Sie, mein Herr Gesandter, und machen wir eine Waldpromenade! Ich werde Sie führen.« Auf verstohlenem Waldweg (Blätter haben keine Ohren) blieb Louis nach längerem Hin- und Hertasten plötzlich stehen und sah den Preußen scharf an. »Glauben Sie, Ihr König wird jetzt eine Allianz mit mir schließen?«
    Mit Geistesgegenwart erwiderte er, ohne eine Miene zu verziehen: »Sire, mein Herr hat wahre Freundschaft für Eure Majestät, und die Vorurteile gegen französische Einmischung schwanden. Aber was ist eine Allianz? Die Konsequenz eines Bedürfnisses. Ich sage nichts gegen die Möglichkeit, doch wo läge der bestimmte Zweck?«
    »Aber nein! Sie gehen von irriger Prämisse aus. Steht man nicht zu einer Macht freundlich und zur anderen ... weniger freundlich? Die Zukunft bleibt immer ungewiß, und da sieht man sich um, wen man am liebsten vertraut. Abenteuerliche weitausschweifende Projekte überlasse ich anderen, für mich ist das nichts.« Das sagte der Mann, der sich Staatsstreich, Krimkrieg, Solferino geleistet hatte. »Preußen und Frankreich haben gleichlaufende Interessen, das genügt für eine Entente cordiale. Verstehen Sie? Es handelt sich nur um eine diplomatische Allianz, innerhalb welcher man sich sozusagen aneinander gewöhnt und aufeinander rechnet, sollten besondere Schwierigkeiten die Interessengemeinschaft verschärfen.«
    »Aber wenn nun der eine Teil etwa gewaltsam diese Verschärfung herbeiführt und den anderen darin verkettet?«
    Mit Nachdruck stieß der Kaiser seinen Spazierstock auf den Waldboden. »Ereignisse schaffen wollen, ist immer ein Fehler, in den kein philosophischer Kopf verfallen wird. Ihnen brauche ich das nicht zu sagen. Wer kann die Richtung einer Weltbewegung vorausberechnen, und gar ihre Stärke! Aber man kann sich vorsehen, sich rüsten, ihr zu begegnen und sie zu benutzen.«
    »Das ist unleugbar wahr. Doch seien wir lieber offen, Sire: unsere Gemeinsamkeit würde einen sehr bestimmten Zweck verfolgen, gegen Österreich.«
    Napoleon, der wieder einige Schritte vorausging, blieb nochmals stehen und legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Kennen Sie Fürst Metternich?«
    »Den hiesigen Botschafter? Aber gewiß, ihn und seine interessante Frau Gemahlin. Wir unterhalten gesellschaftlich guten Verkehr, da sein in Gott ruhender Vater, der berühmte Metternich, mich mit seinem Vertrauen beehrte.«
    »Sie kannten den Papa Metternich? Wie interessant! Ich gäbe etwas darum, wenn ich dies ehrwürdige

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