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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sein scheint, neigt zwischen den Zeilen dieser Ansicht zu.«
    »Vortrefflich! Wir müssen uns weiter unterhalten, Herr Baron.« Disraeli zog ihn in ein leeres Nebenkabinett. »Wenn man uns zwei allein sieht, wird man uns hier nicht stören. Wie ich vernehme, verkehrt dieser junge Herr Lassale – Lazarus wollte ich sagen – mit sehr vornehmen Kreisen. Kennen Sie Boekh, den Rektor der Berliner Universität, der so gelehrt das Wirtschaftsleben Athens beschrieb?«
    »Nur per Renommee. Sein Werk habe ich nicht gelesen.« Disraeli natürlich auch nicht. »Ist das ein Gönner des Dr. Lassale? Dieser soll ein Buch über Heraklitos den Dunkeln vorbereiten oder publiziert haben. Das interessiert mich, weil ich in meiner Jugend mich auch mit Heraklit beschäftigte.«
    Disraeli starrte ihn verwundert an. Ein preußischer Junker, der Heraklit den Dunkeln kennt! Seine eigenen Beziehungen zu diesem griechischen Weisen waren etwas dunkler und beschränkten sich auf die Phrase: Alles flieht. Doch er sagte sich als Weltkenner, daß dieser Deutsche ihm nur etwas vorschwindle, und fuhr zu inquirieren fort:
    »Kennen Sie Fürst Pückler?« Der war in England sehr bekannt, sogar mal im Parlament wegen seiner Skizzen der Londoner Gesellschaft zitiert worden.
    »Pückler-Muskau, den Reisenden Semilasso, den Gartenkünstler? O ja, den kenne ich. Ein geistvoller Grandseigneur der alten Schule.«
    »Nun, mit dem verkehrt Lassalle auch. Er wohnt in der Bellevuestraße zwölf, ein kleines Haus, und gibt dort attische Symposien unter Vorsitz seiner Aspasia, der Fürstin Hatzfeld.«
    Otto zuckte. Diesen Skandal kannte er auch. Er begriff hier, wie das Judentum über alle seine Angehörigen international Buch führt. »Ich hörte davon. Lassalle ist ein reicher Mann.«
    »Schwer. Sagen Sie, lieber Baron, ist Fürst Pückler auch jüdischer Abkunft wie die Hälfte des preußischen Adels?«
    »Das muß ich mir verbitten«, brauste Otto auf. Die Wahnsinnige Übertreibung konnte er sich nicht gefallen lassen.
    »Sich verbitten, dem ältesten Adel der Welt anzugehören? Ich habe das in einem meiner Romane offen verkündigt.« Nur merkwürdig, daß Disraeli trotzdem stets Abneigung gegen Preußen fühlte und bekundete. Da er doch selten als Engländer, immer als Jude die Dinge betrachtete, so liegt schon hierin die Widerlegung.
    Otto verbeugte sich kalt und ruhig. »Ich kann nur sagen, daß ich dieser Auszeichnung nicht teilhaftig bin. Ich stamme von simplen Germanen ab seit fünf Jahrhunderten.«
    »Seit fünf? So bescheiden? Von Adam stammen wir doch alle ab.« Diese »teuflisch« sein sollende Ironie setzte der große Engländer fort, indem er überleitete: »Als ein so alter Deutscher haben Herr Baron zweifellos Aspirationen für das deutsche Vaterland? Wir John Bulls verstehen so wenig davon. Möchten Sie mich unterrichten?«
    Otto besann sich einen Augenblick. Was kann's schaden! Der Mensch ist bedeutend, bedeutenden Menschen sagt man am sichersten die Wahrheit. »Mit Vergnügen. Schade, daß die Engländer vergessen haben, daß sie ganz einfach unseres Blutes sind, nicht bloß Vettern, sondern ausgewanderte Stiefbrüder. Die Angelsachsen waren einfach Deutsche. Doch da Sie mich offen fragen, antworte ich offen. Wahrscheinlich nötigt man mich, bald die Leitung der Regierung anzutreten. Ich werde zuerst die Heeresreform durchführen. Sodann werde ich jeden beliebigen Vorwand ergreifen, den Deutschen Bund zu sprengen und Österreich hinauszuwerfen.«
    Disraeli fiel aus den Wolken. Solche Offenherzigkeit kann doch nur Unfähigkeit sein? »Und die Kleinstaaten?«
    »Die werden wir unterwerfen und Deutschland die nationale Einheit geben. Ich kam, um den Ministern der Königin dies zu eröffnen, finde aber keinen Anlaß dazu, meine Zeit ist beschränkt. Ich sage es Ihnen, dem kommenden Mann.«
    Disraeli entzog sich noch immer nicht seiner Bestürzung. Da ein Diplomat nach altem Herkommen immer das Gegenteil von dem sagt, was er will, so konnte man diese Phantasie nicht ernst nehmen. Was meinte er eigentlich? Er räusperte sich und brachte die neue Wendung aufs Tapet: »Sie werden aber Unruhen mit Ihren Radikalen bekommen.«
    »Auch Sie, doch das wird vorübergehen. Sie werden mehlige Kartoffeln behalten« (o Otto! In England, wo man ein Stück Seife bekommt, eingewickelt in flatterige, wässerige Spreu!) »und genügende Banknoten, doch wir werden nicht so billig davonkommen. Auf dem Kontinent ist alles faul. Dies Jahr ist Ruhe, verglichen mit dem

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