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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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d. Pfordten erwies sich jedoch schwerhörig und in keineswegs ausgleichsbedürftiger Stimmung. Er hatte sogar die ... Kühnheit, darauf zu dringen, daß die Minorität ihr Votum beschleunige. Ich empfehle den schweren Ernst der Lage, der sich noch mehr zuspitzt, der reiflichen Erwägung Ihrer Regierung.«
    »Werden Sie Ihr Votum verweigern?«
    »Um uns für Outsider legal ins Unrecht zu setzen? Pas si bête! Ich befahl Usedom durch sofortiges Rücktelegramm, sein Protestvotum auf den Tisch des Hauses zu legen. Unsere Würde verbietet uns jedes Ausweichen.«
    »Nun, es ist halt ein Kompetenzkonflikt.«
    »Sehr wahr. Majoritätsbeschlüsse sind Vertragsbruch gegen die Statuten des Bundes. Ich werde unseren Gesandten sofort abberufen und die praktischen Konsequenzen in kurzer Frist ziehen, die sich aus der Tatsache ergeben, daß wir dem Bund nicht mehr eine rechtlich zulässige Wirksamkeit zusprechen, mit einem Wort: ihm weitere Anerkennung versagen.«
    »Das würden Sie wirklich tun?« Karolyi war im Grunde selber eine ehrliche und ehrliebende Natur und gewann Geschmack an dieser neuen Diplomatie, die mit offenen Karten spielte, zumal er Otto persönlich gern hatte. »Sie kennen die Reizbarkeit unseres hitzigen Rechberg. Ein solches Ultimatum wird kaum bei ihm verfangen.«
    Otto lächelte. »Wir beide kennen uns genau und haben intime Erinnerungen. Seine Hitze kenne ich, aber auch seinen ehrenwerten Privatcharakter. Er kennt meinen Stil und wird mich verstehen.«
    »Wenn Sie meinen! Ich werde pünktlich und genau berichten, mein Wort darauf. Wir wollen gemeinschaftlich versuchen, unsere Differenzen zu begraben. Falls man aber in Wien sich weigert –«
    »So kommen Sie uns nur nicht mit bundesfreundlichen Vorstellungen! Rechnen Sie nicht darauf, uns im Bund zu fesseln. Das Paragraphengerippe der Wiener Schlußakte ist ein Stück Löschpapier, das wir durchlöchern. Sie werden uns als europäische Großmacht, nicht als deutschen Bundesstaat kennen lernen. Die Entwicklung der deutschen Geschichte wird nicht durch Tinte und Papier aufgehalten, wir werden sie selber in die Hand nehmen.«
    Der geplagte Karolyi depeschierte fieberhaft, und bald darauf teilte er mit: »Graf Thun, unser Botschafter in Petersburg, zur Zeit in Wien, wird bei Rückreise auf seinen Posten über Berlin morgen vorsprechen und mit Eurer Exzellenz über die schwebende Frage konferieren im Auftrage des Ministerpräsidenten Graf Rechberg.«
    Thun! So kommen die Menschen und die Diplomaten immer wieder zusammen. Thun avanciert nach Petersburg wie ich, Rechberg auf den Ministersessel wie ich. Reizende Parallele! Die diplomatische Welt ist so klein. Kommt der Berg nicht zu Mohammed, kommt Mohammed zum Berge. Das wird ja ein fröhliches Wiedersehen. Otto lachte grimmig. –
    Der listig-gemütliche Graf war noch immer der gleiche und beherzigte geräuschvoll die Lehre, daß alte Freunde doch die besten sind.
    »Meinen ehrerbietigen Handkuß der Frau Gemahlin. Meine Frau? Die Gräfin leidet unter dem höllischen nordischen Klima. Danke der Nachfrage! Sie sehen förmlich verjüngt aus. Wie stehe ich da? Groß als Wahrsager! Ich sagte immer: Mein Freund Bismarck stirbt auf dem Wege oder wird Ministerpräsident. Da ist er einer, und an Sterben denkt er nicht. Ich? Na, alldieweil fidöll, wie's mittelmäßigen Söhnen dieser Erde geht. Hab' ich von Ihnen, soll von Shakespeare sein. Also immer noch der alte Streitbold? Das arme, unschuldige Österreich! Wir san so gemütlich, und Sie wer'n immer gleich ungemütlich. Ich meine als Politiker, denn sonst sind S' ja der scharmanteste Kavalier von der Welt. Ach, der Zar hält so große Stücke auf Sie. Da haben Ihnen die Ohren geklungen. 's is' halt a fesche Sach', wenn man alte Freunde hat, die in Ekstase geraten, wenn ein gewisser Name fällt. Ja, und die leidige Chose da mit dem Delegiertentag ... wissen S', der v. d. Pfordten ist a talketer Kerl, setzt uns in Ungelegenheiten. So bös war's nit gemeint, o mai, wir Weaner san gemütlich und lassen mit uns reden. Na, geliebte Exzellenz, wo stecken denn noa di Schmerzen?«
    Otto wußte zu genau, daß die Perfidie einen Triumphzug hielt, wenn sein Freund Thun weanerte. Bei allen, außer bei ihm, verfing dieser Trick. Er hatte aber den alten Knaben von Herzen gern und nahm seine Kapriolen so gutmütig auf, wie ein ruppiger Löwe das schmeichelnde »Wärgeln« eines Katers, den man zu ihm in den Käfig läßt. Er öffnete daher sozusagen seine Weste und verabredete

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