Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
nichts vergessen. Je mehr von ihnen auf einen Klumpen beisammen sind, desto heißhungriger werden ihre nationalen Ansprüche. Am liebsten möchten sie den Weißen Adler wieder von Smolensk bis Danzig aufpflanzen. Eine Wiederaufrichtung Polens könnte Gefahren für uns haben, wäre aber angängig als Pufferstaat, falls wir je mit Rußland in Feindschaft gerieten. Gottlob ist daran für lange nicht zu denken, und wir sind heut noch zu schwach, solches Wagnis zu unternehmen, was uns gar nichts einbrächte. Schon das sollte uns vor jeder polenfreundlichen Politik abhalten, daß Österreich im Krimkrieg von einem Königreich Polen unter einem Erzherzog träumte. Österreich als katholisches Land wäre auch eher dazu berufen. Für uns liegt heut keinerlei Veranlassung vor, ein unabhängiges Polen zu wünschen, das in Österreichs Bannkreis stände und uns Ungelegenheiten machen kann. Als Nachbar ist das befreunde Rußland sicher vorzuziehen.«
    »Ich folge Ihrem lichtvollen Vortrag mit Interesse. Die Polen haben sich auch, ohne Dynastie, wie sie sind, in eine allgemeine Revolutionsstimmung hineingeredet, die keinem Monarchen sympathisch sein kann.«
    Der König sah außerordentlich frisch und rüstig aus. Von Gebrechlichkeit des Alters keine Spur mehr. Die Großfürstin Helene, zur Jagd anwesend, sprach ihre Freude darüber aus. »Eure Majestät müssen eine Kur gemacht haben, die Ihnen vorzüglich anschlug!«
    Da legte der greise Fürst seine Hand auf Bismarcks Schulter. »Das ist mein Leibarzt.«

Es hätte die Liberalen zu einigem Nachdenken bringen müssen, daß Preußen die Freihandelspolitik Frankreichs annahm, sich gegen Einwände der Hauptmitglieder der Zollunion energisch verwahrte und den Vorschlag Österreichs, jetzt ganz in die Union eintreten zu wollen, auf Grund triftiger Erwägungen ablehnte. Die Mittelstaaten fügten sich allmählich, Preußen blieb im wirtschaftlichen Kampfe Sieger. Gleichzeitig erledigte sich die historische Episode, daß der elende Tyrann von Hessen fortfuhr, ohne die von ihm meineidig abgeschüttelte Verfassung seine Untertanen zu schinden, auf die spaßigste Weise. Der neue Ministerpräsident ließ ihm ganz einfach durch einen Feldjäger notifizieren, daß Preußen als Bundesexekutor Hessen besetzen werde, wenn er nicht sofort die Verfassung herstelle, worauf der Feigling eilends den Schwanz einzog. Dies erhöhte nicht nur Preußens Ansehen, sondern verlieh ihm auch einen liberalen Schimmer als Schirmherr der Volksrechte.
    Doch die Fortschrittler ließen sich nicht erweichen. Das neue Jahr brachte nur eine Verschärfung des Konflikts. In einem Briefe an einen Neujahrsgratulanten, den Oberstleutnant v. Vincke, drückte der König seinen Zorn und Schmerz über die Rolle aus, die man mit Lug und Trug ihm zuschiebe, als wolle er das Volk seiner Rechte berauben. Während aber so ein innerer Wurm an Preußens Mark zu zehren schien, ergriff Otto mit eiserner Hand das Steuer des Auswärtigen, unbekümmert um alle Hemmung im eigenen Lande. Die ihn in der neuen Kammersession auf der Ministerbank sitzen sahen, ahnten nicht im geringsten, daß der Mann da oben mit seinen Gedanken fern genug wo anders weilte und nur mit halbem Ohr hinhörte, wenn ein Redner ihm Grobheiten sagte. Mit kühner Sicherheit ging er sogleich auf sein Ziel los und bat sich mehrere intime Unterredungen mit dem österreichischen Botschafter Graf Karolyi aus. Mit diesem, der sich einer gewissen Unabhängigkeit des Charakters erfreute, stand er zwar auf bestem Fuße, doch brachte die politische Gespanntheit eine Schärfe des Tones mit sich.
    »Es scheint mir unvermeidlich,« begann er, »daß unsere Beziehungen entweder sich bessern oder sofort verschlechtern müssen. Ich wünsche ehrlich das erstere. Bei mangelndem Entgegenkommen der Kaiserlichen Regierung werden wir uns aber auf das letztere vorbereiten.«
    »Wie soll ich das verstehen?« fragte der madjarische Magnat hochherab.
    »Es bestand von 1848 ein stillschweigendes Abkommen, daß Sie unserer Unterstützung in Europa sicher waren, wofür Sie uns in Deutschland freie Hand ließen.«
    »Sie sprechen selbst von einem ›stillschweigenden‹ Abkommen, das also nie fixiert ward. Jedenfalls ist mir amtlich nichts davon bekannt.«
    »Dann erfahren Sie es jetzt.« Der Blick des Preußen wurde streng und durchbohrend, als wollte er andeuten: Fangen Sie bloß so an! Es wird Sie gereuen. »Rekriminationen sind überflüssig. Ich will daher nicht darauf zurückkommen, daß

Weitere Kostenlose Bücher