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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Naturforscher-Metaphysik fand, gelassen den Fragenden an: »Wahrscheinlich ein großer Mann. Dem Kollegen Virchow rappelt's.«
    *
    Der vornehme Gentleman, der Wilhelm I. hieß, ging heftig in Babelsberg auf und nieder. Vor seinem Schreibtisch lag das Fell eines Eisbären, und er stampfte darauf. »Ihre Zirkulardepesche vom 24. Januar hat meinen vollen Beifall. Die Leute werden sich wundern, daß Sie Ihre Unterredungen mit Karolyi« (der König sprach es falsch aus, wie alle, die nicht Madjarisch kennen, es spricht sich Karoi) »und mit Thun öffentlich, d. h. für alle Höfe, preisgeben. Aber ich begreife, was Sie damit bezwecken. Schon gut. Und das mit Rußland – ich beauftrage Gustav Alvensleben, den Sie bevorzugen, denn ich teile Ihre Schätzung – schon gut. Aber diese Kammer!« Der König blieb stehen und zitterte vor Erregung.
    »Die mir das Vertrauen meines Volkes rauben, sind gewissenlose Fälscher«, rief er Otto heftig zu. »Wie viele Konzessionen machte ich nicht! Die Kammer aber stellt sich, als hätte ich keine gegeben, nur um immer neue zu erpressen! Steht irgendwo geschrieben, daß nur ich nachzugeben habe und der Landtag nie? Man hat mir lauter Fallen gestellt. Als ich mir erst 4 Millionen und dann erneut 240 000 Taler streichen ließ, verlangte man sofort die zweijährige Dienstzeit. Und dann verhöhnte uns die infame Presse, wir seien wirklich zu unverschämt, bloß um den Preis von 240 000 Talern sich Frieden erkaufen zu wollen! Das ist eine Schlechtigkeit.«
    »Jawohl, Majestät. Wie Sie schon richtig bemerkten: Die Abgeordneten haben das Recht, das Budget zu reduzieren, das Herrenhaus das Recht, dies reduzierte Budget zu verwerfen. Was verordnet die Verfassung dafür? Nichts. Also legen wir legaliter unsere Auffassung zugrunde.«
    Das tat er dann freilich in einer immer schärferen Tonart, je lauter die Opposition brüllte. Er bediente sich dafür einer Verfassungsklausel, wonach die Minister immer auf Wunsch angehört werden mußten, obschon sie nicht Mitglieder, sondern sozusagen Gäste des Hauses waren. Dies legte er nun so aus, daß die Minister reden dürften, was ihnen beliebe, ohne irgendwie der Autorität und Zensur des Präsidenten zu unterstehen.
    »Ich ersuche den Herrn Ministerpräsidenten, sich zu mäßigen und persönliche Bemerkungen verletzender Natur gegen Mitglieder dieses hohen Hauses zu unterlassen«, rügte der Präsident Bockum-Dolffs.
    »Ich weise diese Mahnung zurück. Ich stehe durchaus über der Disziplinargewalt des Vorsitzenden und bin niemand für Reden wie Taten verantwortlich als meinem Herrn, dem König.« Es folgte eine sehr bewegte Szene, während welcher er den Saal verließ.
    »Ich beantrage die Vertagung, weil der Minister in begreiflicher Aversion unangenehme Wahrheiten nicht hören will, bis zu seiner Rückkehr,« sprach der große Professor Virchow die gewaltigen Worte. Doch im gleichen Augenblicke saß der Gehaßte schon wieder auf der Ministerbank und bemerkte kühl:
    »Die Ausfälle der verehrten Abgeordneten sind im ministeriellen Vorzimmer vollkommen hörbar und verständlich. Ich bitte, damit fortzufahren.«
    Der Unfriede in der neuen Session erreichte am 17. Mai seinen Höhepunkt. Auf eine Bemerkung Sybels schnaubte Roon: »Das ist eine unqualifizierbare Anmaßung.« Glocke des Präsidenten, um die sich Roon nicht kümmerte. Worauf Bockum-Dolffs: »Jetzt habe ich zu reden. Ich unterbreche den Minister.« Roons Jähzorn machte sofort ironischer Schärfe Platz: »Bitt' um Verzeihung, doch ich hatte das Gehör des Hauses, und werde davon nicht abstehen.« Präsidentenglocke. »Die Verfassung gibt mir das Recht, zu reden wann ich will, und keine Glocke, kein Winken, kein Unterbrechen wird je –«
    Allgemeiner Aufschrei »Zur Ordnung?« Nachdem Bockum erneut die Glocke gerührt, kam er endlich zu Worte: »Unterbreche ich den Minister, so ist seine Pflicht, zu schweigen!« (Bravo! Oho!) »Dafür brauche ich die Glocke, und will der Herr Minister darauf nicht hören, so soll mir mein Hut gebracht werden, zum Zeichen, daß ich die Sitzung wegen gewaltsamer Störung suspendiere.« Der alte Soldat fuhr unerschüttert fort: »Ich habe nichts dagegen, daß der Herr Präsident nach seinem Hute schickt, doch ich bemerke –«
    Lauter Lärm erstickte seine Stimme, doch sofort fuhr er wieder mit schmetternder Kommandostimme fort: »Meine Herren, 350 Stimmen sind lauter als eine. Ich verlange mein Verfassungsrecht. Danach kann ich sprechen, wie ich will, und

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