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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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zweites Mal, diesmal verlangte er peremptorisch den Beitritt zu einem europäischen Areopag, der eine Wiederauferstehung Polens dekretieren sollte. »Ich bedaure lebhaft, dies aus Selbsterhaltungstrieb ablehnen zu müssen. Wir müßten sonst 100 000 Soldaten mehr unterhalten, weil das neue Polen sicher uns sehr belästigen würde. Zweifellos wird Rußland für diese Anregung dankbar sein, man liebt es, von Fremden über eigene häusliche Dinge Belehrungen zu erhalten.« Am liebsten hätte er als Beispiel angeführt, daß Rußland demnächst England auffordern werde, aus Ehrfurcht vor den unterdrückten Menschenrechten Irland seine Freiheit zu schenken.
    *
    Im Juni begleitete er den König zur Kur nach Karlsbad. Er lag träumend im Bummelzug und erlabte sich an »reizenden Tannen, Mondschein, Rauschen der Bäche«, wie er in Eile an Nanne schrieb. In Karlsbad merkte er schon, daß es für immer mit dem Inkognitoleben vorbei sei, daß er eins auf dem Präsentierbrett führen müsse. Als eine ihm völlig vergessene Baronin Scholl aus Frankfurt ihn erkannte und mit lauter Stimme rief: »O Exzellenz v. Bismarck, Sie hier! Welches Ereignis!« drehten sich sämtliche Kurgäste um und hefteten sich an seine Fersen. Er entrann durch weite Spaziergänge und Kletterpartien in glühender Sonnenhitze, denen niemand folgen konnte.
    »Ach, da fällt mir ein, ich habe ein wichtiges Geschäft zu Hause«, stöhnte sein alter Bekannter, Botschaftsrat v. Werthern, der hier auch Sprudel trank und sich ihm anschließen wollte, um ihn auszuholen. Diese Prellsonne auf schattenlosen Bergen war für sitzfreudige Diplomaten nicht bekömmlich. Dagegen hatte Otto seine liebe Not, den greisen König von allzu eifrigem Geschäftsdrang abzuhalten, dessen Pflichttreue durch sein Zusammenarbeiten mit dem Genialen einen neuen Ansporn erhielt. Er verjüngte sich förmlich durch dies neue, ungewohnte Leben in wirklich produktiver Politik und restloses Inangriffnehmen all der großen Angelegenheiten, die sich seit zehn Jahren unerledigt anhäuften. »Mit dem dilatorischen Behandeln kamen wir nie vorwärts«, äußerte er sich befriedigt. »Sie sind fürwahr der rechte Mann für mich, mein lieber Bismarck.«
    »Wenn Majestät sich nur etwas mehr schonen wollten!«
    »Wozu? Mir bekommt die Kur vortrefflich, und die Nachkur in Gastein wird mich vollends stärken. Sie müssen also auf ein paar Tage nach Berlin zurück, leider, aber sorgen Sie dafür, daß Sie sobald wie möglich in Gastein eintreffen.« –
    »Erlaube mich vorzustellen: Fürst Fritz Schwarzenberg. Meine Tanten in Wien haben mir viel von Euer Exzellenz erzählt«, machte sich ein fescher Kavalier bekannt.
    »O, welch herrliche Erinnerung! In Wien geht einem das Herz auf, so urbehaglich! Und so deutsch! Euer Durchlaucht erlauchtes Geschlecht stammt ja auch von fränkischem Uradel.« Das leere, hübsche Gesicht des böhmischen Fürsten verfinsterte sich sekundenlang.
    »Wir sind Böhmen, Exzellenz, und haben uns im braven Tschechenvolk ganz eingebürgert. Deutsch, nun ja! Exzellenz verzeihen, bei uns kennt man nur Österreicher.« –
    Eine schwarzgelockte Italienerin, Marquise d'Alba, die er durch russische Bekannte kennen lernte, ließ ihn etwas andere Töne hören. »Wir schwärmen so für Deutschland, diese verehrungswürdige Nation hat gewissermaßen ein gleiches Los wie Italien. Und«, fügte sie halblaut hinzu, »einen gemeinsamen Feind.«
    Otto erwiderte nichts, sondern erwiderte nur den feurigen Blick der Dame. Das verpflichtet zu nichts. Höchstens Schriftliches. Da hatte der selige Talleyrand recht: Mit einer schriftlichen Zeile will ich jeden hängen. Selbst Mündliches ist frei. Denn da in der Welt so unendlich viel gelogen wird, stehen Klatschaussagen nicht hoch im Preise, und nachher sagt jeder etwas Anderes über die betreffende Äußerung. Das ist ungefährlich, doch wo Blicke ausreichen, sind Worte unnötig. Otto wußte sehr genau, wo er, der Offenste der Sterblichen, den Mund zu halten hatte. Wenn er seine damaligen Unterredungen mit Karolyi sogar in einer Zirkulardepesche schriftlich zusammenfaßte, so verblüffte er die Gegner noch mehr damit. Schriftlich gab er nur, was man wissen sollte .
    Vor seiner Abreise hatte er noch eine merkwürdige Zusammenkunft. Der Württemberger Politiker v. Varnbüler forderte ihn zu geheimer Besprechung auf, indem er sich auf den gemeinschaftlichen Freund Below-Hohendorf berief, und gab ein böhmisches Dörfchen westlich von Karlsbad als

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