Bismarck 02
gottwohlgefällig hielt, war nun auch vorüber.
»Das ist es«, fuhr er auf. »Man muß die Gärung mit allen Mitteln niederhalten und den Burschen die Macht des Staates zeigen. Jede Versöhnlichkeit fassen sie als Schwäche auf. Es war ganz vernünftig, ihnen die Anwesenheit der Minister zu entziehen, die sie doch nur als Zielscheibe ihrer Pfeile betrachteten. Solange nicht die Heeresreform durchgeführt, muß man drakonische Strenge walten lassen und die Zügel anziehen. Nachher mag man sie lockern.«
»Aber das traurige Zerwürfnis mit dem Kronprinzen!«
»Ja, das ist eine böse Geschichte. Doch ich tat alles, um den Zwist beizulegen.«
Das war in der Tat eine heikle Angelegenheit. Auf militärischer Inspektionsreise nach Westpreußen begriffen, fiel der Kronprinz dem Bürgermeister Winter von Danzig in die Hände, einem leidenschaftlichen Erzliberalen. Gerade in jenen Tagen kam die Presseordenanz heraus, bei dem allgemeinen Unwillen unterließ man überall den sonst üblichen festlichen Empfang. Auf das leicht erregbare, der Volkspopularität sehr zugängliche Gemüt des Prinzen und das seiner ihm auf der Reise folgenden Gemahlin verfehlte dies nicht einen tiefen Eindruck. Er richtete an den König ein scharfes Schreiben, worin er sich beschwerte, nicht zu dem Staatsrat zugelassen zu sein. Es sei seine Pflicht als Thronfolger, über Vorgängen zu wachen, welche die Sicherheit der Dynastie in Frage stellten.
Im Danziger Rathaus hielt er dann eine besondere Ansprache, worin er, obschon in geziemenden Formen, die königliche Politik desavouierte. Der König erteilte ihm darauf schriftlich einen ernsten Verweis. Dieser war in so hohem Grade erzürnt, wie Otto ihn noch nie sah.
»Ich werde genötigt, durch öffentliche Akte zu strafen.« Das milde Gesicht des Königs nahm einen strengen und harten Ausdruck an. Nach seinem Gefühl lag die Todsünde der Insubordination »vor dem Feinde« vor. »Auch Sie sind durch einen brieflichen Protest des Kronprinzen gegen die Presseverordnung beleidigt worden.«
»Das ertrage ich gern und bitte Eure Majestät nur, von allen öffentlichen Schritten abzusehen. So gebietet die Staatsräson.«
»Sie gebietet, abtrünnige und widerspenstige Thronerben so zu erziehen, wie mein in Gott ruhender Ahne es mit dem großen König, damaligen Kronprinzen, für gut fand.«
»Aber gab ihm die Nachwelt recht? Sie stimmt mit den Zeitgenossen überein, solche Härte zu verdammen. Auch war die Provokation viel stärker.«
»Er hat mir heut einen Brief geschrieben,« bekannte der König zögernd, »wonach er sich aller seiner Ämter entbinden lassen will und seine Enthebung von militärischen Funktionen anheimstellt. Er habe in Sorge um die Zukunft seiner Familie sich gegen Oktroyierung der Verfassungsverletzung ausgesprochen, bitte aber als Sohn um Verzeihung.«
»Dann gewähren Sie sie, vermeiden Sie jeden Entschluß im Zorne, Majestät, und verfahren Sie säuberlich mit dem Knaben Absalom!« So geschah es, was jedoch den Kronprinzen nicht abhielt, an Otto eine heftige Epistel zu richten, worin er auf jede Mitwirkung im Staatsrat verzichtete, solange ein solches Ministerium amtiere. Gleichzeitig erschien ein Artikel in der Londoner »Times«, der die Vorgänge förmlich auf den Kopf stellte und natürlich eine Schmeichelei für die Prinzeß Royal einflocht.
»Lesen Sie das!« rief der König erzürnt. »Wer mag diese Lobhudelei, die mich wie einen eigensinnigen alten Mann hinstellt, verfaßt haben?«
»Vermutlich ein gewisser Geffcken, der das Vertrauen der kronprinzlichen Herrschaften genießt. In dem ›Grenzboten‹ stand auch etwas Ähnliches. Am meisten Verdacht hege ich gegen den Legationsrat Meyer.«
»Wo gehört der hin?«
»Zur Umgebung Ihrer Majestät der Königin«, stellte Otto mit klarer Stimme fest. Der König biß sich auf die Lippen. Hatte er doch kritische Ergüsse von Ludolf Camphausen und dem anglisierten Baron Stockmar durch Königin und Kronprinzessin erhalten, die er gleichgültig beiseite warf. Beide hohen Damen träumten nur noch von cromwellischer Rebellion und Schafotten, obschon weder ein Cromwell noch ein starrsinniger Schwachkopf von Stuart vorhanden waren. –
Mittlerweile ging die auswärtige Politik ihren Weg. Im Februar begab sich General Gustav v. Alvensleben nach Petersburg und schloß dort eine Konvention rein militärischer Art gegen die polnische Revolution, was sich aber auch gegen alle richtete, die Neigung zeigten, sich an diesem Strohfeuer
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