Bismarck 02
ausführten. Neckisch fügte er hinzu, Moritz Blanckenburg (der prosaische Pommer) würde das Tal mit einer Schüssel Grünkohl vergleichen, umkränzt von weißen Eiern.
In das Idyll kam störende Bewegung. Alles flaggte, Kaiser Franz Josef traf am 2. August ein, mit ihm ein lieber alter Bekannter, Prokesch. Das bedeutet etwas, da wird man kaum Gemsen schießen können, hier soll wohl ein Bock geschossen werden, jedenfalls wird man Bocksprünge machen.
Auf der Durchreise in Dresden hatte er seinen lieben alten Freund Beust aufgesucht, der ihn mit überströmender Herzlichkeit empfing und sich angelegentlichst der Frau Gemahlin empfehlen ließ. Das kündete nicht Gutes. Weiß Gott. Weiß Gott, was Freund Rechberg wieder ausheckte.
Er saß in der Acht-Schlucht unter dem Tannenbaldachin und kneipte Natur. Sein Blick fiel auf ein Meisennest, wo der Vogel seine Jungen fütterte. Wie oft in der Minute der wohl Ungeziefer herbeiträgt! Er zog die Uhr und beobachtete. Während dieser Forschertätigkeit sah er plötzlich, daß gegenüber auf der anderen Schluchtseite, die man Schillerplatz nannte, der König auf einer Bank saß, allein, in Gedanken versunken. Nun, da wird ihn niemand finden. Die Uhr sagte, daß er sich zum Diner beim König in Gala werfen müsse. Da fand er in seiner Wohnung ein kurzes Briefchen: »Ich erwarte Sie auf dem Schillerplatz. W.« Otto ahnte nichts Gutes und stürmte eiligst nach dem königlichen Quartier, wo er sich entschuldigte, Naturbetrachtung habe ihn aufgehalten. Der König erwiderte in erfreutem Ton: »Ich bedaure sehr, Sie hätten den Kaiser getroffen, der mich aufsuchte und mit dem ich eine freundschaftliche Unterhaltung hatte. Es sind sehr wertvolle Eröffnungen, die er als Freund und Bundesgenosse machte.«
»Darf ich fragen welche?«
»Es soll ein Fürstentag in Frankfurt stattfinden, wo wir gemeinsam gegen den Liberalismus vorgehen, der jede Staatsgewalt unterbindet. Das wäre endlich ein Schlag gegen die Revolutionsstimmung in Berlin.« Da Otto vollkommen schwieg, fragte er hastig: »Sie teilen nicht meine Auffassung?«
»Nein, Majestät.«
»Wie, Sie glauben nicht, daß wir auf diese Weise das Joch der Fortschrittspartei abschütteln, die das Fundament des Staates bedroht?«
»Vielleicht. Ich halte es aber nur für ein papiernes Joch. Um es zu brechen, bedürfen wir keiner Hilfe.«
»Aber Österreich wird doch dann wohl –«
»Nichts wird es, als an dem alten Leim festkleben. Um unsere Liberalen oder Revolutionäre loszuwerden, würden wir uns erneut in Österreichs Botmäßigkeit begeben.«
»Aber man sagte mir doch –«
»Wie wird man nicht! Politik ist Politik. Rechberg ist doch «in schlauerer Bruder als ich dachte.
Der König schwieg betroffen. »Nun, wir reden noch mehr davon. Übrigens kommt in den nächsten Tagen der Kronprinz, wovon ich Sie avertiere.«
Zunächst kam der liebe Prokesch angetanzt. »Welch freudiges Wiedersehen! Endlich allein, oder, da dies französisch seiner klingt, enfin seuls! Alle alte Streitaxt begraben! Österreich und Preußen erscheinen Arm in Arm!«
»Wie Carlos und Marquis Posa!« ergänzte Otto trocken. Und im Hintergrund lauert der Großinquisitor, und Carlos verwandelt sich plötzlich in Don Philipp. »Sind Sie denn so gewiß, daß dieser Fürstentag zustande kommt?«
»Da fragen Sie noch! Alle deutschen Fürsten sind begeistert. Ich auch. Ich bin eben eine enthusiastische Seele, und nur die aufgeknöpfteste Offenheit ist mein Fall. Glauben Sie mir, mein teurer alter Freund, wenn ich Sie so nennen darf, das Lügen ist der Fluch.«
Hol' die Pest alle feigen Memmen! sagte Falstaff. Otto lachte nicht einmal. Die Sache stand schlimm. Dieser Hieb Rechbergs war nicht von schlechten Eltern. Man wird auf den großen Haß des Königs gegen die übermütigen Berliner Schreier spekulieren und ihn umgarnen.
»Wie geht's meinem alten Freunde Graf Rechberg?«
»0, er strotzt von Lebenskraft. Der schwärmt von Ihnen! Mehr als ich! Ich bin eben eine offene Natur und halte mit nichts hinter dem Berge. Mir machten Sie das Leben sauer, doch Rechberg muß Sie von einer milderen Seite kennen. Da sieht man, wie das wahre Verdienst sich immer Bahn bricht! Sie und Rechberg zu gleicher Zeit Ministerpräsident, die feindlichen Brüder, die sich doch so von Herzen gut sind! Ach, es gibt im Menschenleben Augenblicke, wo wir dem Weltgeist näher sind als sonst und ihm zurufen: Verweile doch, du bist so schön! Das ist freilich von Schiller, dem
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