Bismarck 03
ungünstig jetzt für Eintreten in eine allzunahe Entscheidungsschlacht, die man hätte vermeiden und bis 10. verschieben sollen, wo die Hintertreffen aufschlossen. So ging das Verhängnis seinen Gang. Ein großer Aufwand schmählich war vertan.
Schon bei St. Quentin vollzog sich das Geschick, denn nur dort wäre die Deutschland nötige Entscheidung zu holen gewesen. Es liest sich geradezu rührend, daß Bülow am 28. disponierte: »2. A. unterstützt Vorgehen 1. A.«, die nämlich laut Klucks Vorschlag jetzt French umkreisen wolle! Wie Lanrezac die Verpflichtung einlöste, French hinter sich vorbei zu lassen, so Bülow die seine, den Feind festzuhalten. Wo aber war damals Kluck? Bei Combles, 10 km nordwestlich Peronne und am 29. erfuhr French Klucks Vordringen bei Proyart vor Amiens! Kluck lud also Bülow auf ein Schlachtfeld ein, wo er das Rendezvous weder einhalten konnte, noch wollte. Sogar Marrwitz überschritt erst am 31. bei Noyon die Oise mit Vorhuten. Es kitzelte einfach Klucks Ehrgeiz, auf eigene Faust ein billiges Lorbeergemüse zu speisen. Doch die Lorbeeren waren welk und grau, wie Gräberefeu.
Verlohnt es sich, den Gedankengang zu erfahren, in dem sich Joffre bewegte? Jedenfalls verriet er bis zum 4. keine Neigung zu Standhalten oder Offensive gegen das Ausrecken der deutschen Front. Nicht aus Erleuchtung entsprang das Bilden einer enger geschlossenen Mauer nordwärts zwischen Ourcq und Argonnen, sondern lediglich dem Zwang der Lage, um der völligen Niederwerfung zu begegnen. Obschon die d. 6. und 7. A. später aufgelöst wurden, als franz. 1. und 2. und einen viel weiteren Weg hatten, brauchte die erste deutsche Staffel (Deimling), die nicht vor 8. im Abrollen war, nur 6 Tage bis St. Quentin–Laon, sieben aus Lothringen in die Marneschlacht geworfene franz. D. (Abgang 18. D. am 2., Ankunft am 8. bei Troyes–Brienne, 14. D. Abgang Ende August, am 6. ins Feuer, die anderen Korps am 9. und 10.) auf weit kürzerer Strecke (oder wenigstens viel glatter auf dem Gleise Belfort–Paris) 7–8 Tage. So hatte das ursprünglich auch für Castelnau bestimmte 18. K. am 15. Lothringen verlassen und brauchte 8 Tage Verladung bis zur Sambre, 19. K. sogar 9 bis dort (am 11. bei Belfort, wo es natürlich nicht vor 30. hätte stehen können, wenn Frankreich erst am 2. in Afrika mobilisiert hätte, weshalb alle deutschen Autoren es naiv erst Mitte September fechten lassen). Bei so fragwürdiger Ökonomie seiner Dynamik konnte Joffre höchstens auf irgendeinen Pyrrhussieg hoffen, und nicht mal das, da bis 9. und 10. die Deutschen längst Langle und Foch überwältigt hätten, ehe die Verstärkungen eintrafen: vorausgesetzt nämlich, daß sie mit vereinten Kräften angriffen. Da Foch anschaulich schildert, wie »demoralisiert« durch Verlust, Strapazen, Besiegung sich die französischen Truppen fühlten, und Auffüllung ihrer gelichteten Reihen nur in sehr bescheidenem Maße erfolgt sein kann, so scheint Joffres Optimismus, noch gar Offensive ins Auge zu fassen, verbrecherisch konfus. Die Sache hätte bei normalem Verlauf mit einer Massenniederlage enden müssen. Unsagbar komisch schwadronierte ein gewisser fingerfertiger Dilettant, der Kriegsgeschichtsschreibung geschickt feuilletonistisch aufputzte, vom Heraufdämmern eines neueren Cannä. Hier dämmert gar nichts seiner eigenen Ahnungslosigkeit. An doppelseitige Umfassung dachte der gute Joffre wahrlich nicht, Sarrail schwebte selber in Umfassungsgefahr und Maunoury desgleichen. Nun wußten ja Friedrich d. Große und Napoleon sehr gut, warum sie weite Umfassungen verpönten, bei Torgau und Bautzen dafür bestraft, daß sie es mal mit Vereinung in statt vorm Feinde versuchten. Zu umgehen sucht man schon seit ältesten Zeiten, doch Erzherzog Karl prägte das Wort »Wer mich umgeht, ist selbst umgangen.« Nur Geschichtsfälschung hat außer Königgrätz und Sedan gegen völlig unfähige Gegner je etwas Ersprießliches aus Konzentrik abgeleitet, selbst einseitige Umfassung, wie die zufällige bei St. Privat fruchtet nur, wenn der Feind selber die Kehle anbietet. Das Schulbeispiel Wagram beruht auf falscher Zustutzung und reiner Unkenntnis, absichtlich die eigene Aussage Napoleons ignorierend. Im Weltkrieg kam der Zentrumstoß taktisch überall zu Ehren, auch in der Marneschlacht, Doppelumfassung blamierte sich bei Lodz, während strategisch der zentrale Einbruch glückte, selbst in der Winterschlacht bei Augustowo gelang sie nur wegen abnormer Leistung des 21. Korps.
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