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Bismarck 03

Bismarck 03

Titel: Bismarck 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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nicht umgestoßen durch blöden Spott über » rage des nombres « oder dilettantischen Erguß »Hindenburg oder Napoleon« eines Spekulanten auf Tagesbedürfnis mit lauter falschen statistischen Daten, wie sie prüfungslose Nachschreiberei der landläufigen Militärschriftstellerei mit sich bringt, als frommes Erbe fortgeschleppt. »Die schöpferische Verzweiflung«, durch welche Minderzahl immer Mehrzahl besiege – geradezu verrückte Behauptung –, läßt höchstens zu, daß ein sehr großer Feldherr mal ausnahmsweise mit Minderzahl siegt, wie z. B. Napoleon bei Austerlitz, Eylau, Dresden und beinahe bei Aspern. Doch selbst bei Leuthen schwankte trotz meisterhafter Schlachtanlage lange der Sieg, der Blutverlust glich sich dort prozentual aus. Verlieren aber Über- und Minderzahl beide je 20% (Davout bei Auerstädt 27%), so schützen bessere Truppenqualität, Taktik und Bewaffnung nicht vor Mißerfolg, wenn Übermacht einheitlich ausgespielt, nicht kopflos verzettelt. Feldherrentum offenbart sich gerade darin, daß man bei eigener Minderzahl trotzdem am Entscheidungspunkt mit Übermacht schlägt. Wenn wir daher im Weltkrieg mit Minderzahl bei Angriff und Abwehr Triumphe errangen, so läßt sich solche Abnormität nur durch beispiellose nie dagewesene Überlegenheit des deutschen Kriegscharakters erklären, nur ausnahmsweise, wie anfangs im Osten, durch abnorm geniale Führung. Daß die Entente ihre Übermacht nie auszunutzen verstand, lag freilich später im Wesen des Stellungskrieges mit lückenloser Front von den Vogesen bis zum Kanal, von den Südkarpathen bis zur Dünamündung. Denn hier fiel weg das Wesen des Bewegungskrieges, die Umgehung, und ohne großes strategisches Manöver hat Übermacht ihren Beruf verfehlt.
    Philosophie und Psychologie der Kriegskunst bahnte man von Clausewitz bis Binder-Kriglstein an, ohne je reine Erkenntnistheorie zu gewinnen. Clausewitz erging sich oft in Hypothesen auf brüchigen Prämissen ohne richtige historische und statistische Grundlage, doch bestrebte er sich, Dynamik allein auf den Schild zu heben, d. h. den Krieg als leidenschaftliches Drama zu betrachten, in dem der Wille regiert. [Seine mannhafte Ethik, oft mit blühender Beredsamkeit vorgetragen, wird von Loringhofen »Die Macht der Persönlichkeit« richtig betont.] ) Jomini dagegen bewegte sich in reiner Intellektualität des Schemas, und als Moltkes »äußere« Linien zu hohen Ehren kamen, bauten Schlieffen, Schlichting, Bernhardi dies Dogma weiter aus, das übrigens uralt ist, sonst hätte nicht Napoleon stets dagegen gewettert. Die Regel doppelseitiger Umfassung brach im September 1914 endgültig zusammen. Doch grau ist nicht jede Theorie, grün nicht an sich der Baum der Praxis. Beim großen Genie, wie Friedrich und Napoleon fließt beides divinatorisch zusammen. Man muß seelische Energetik und die mathematisch kalkulierbare Stoffbewegung sorgfältig gegeneinander abwägen. Psychologie eines Feldherrncharakters kann wichtiger sein als seine intellektuellen Maßnahmen.
    Deutschland trat in den Existenzkampf unter ungünstigsten Bedingungen mit unzureichender Rüstung ein, dank einer verächtlichen Staatsleitung und einer widerborstigen Volksvertretung. Panzerkähne als kaiserliches Spielzeug verschlangen Unsummen, nur von U-Booten wollte Tirpitz nichts wissen. (Vergl. Persius.) Statt »schwimmender Särge« hätte man lebendige neue Korps gebraucht. Da die Friedensstärke der Franzosen im Sommer 1914 schon 883 500 betrug inkl. Afrikaner, die deutsche nur 761 000, d. h. 2,10% der Bevölkerung gegenüber 1,20, so liegt auf der Hand, daß jede Berechnung deutscher Übermacht, wie die Franzosen vorschützen, auf Wahn beruht. Joffre sprach vielmehr offenherzig von »unserer zahlenmäßigen Überlegenheit«. Dazu kamen noch 280 000 Belgier auf dem Papier, 132 000 des englischen Expeditionskorps, wovon die ersteren wohl schwerlich mehr als 150 000 aufbrachten, die Engländer erst allmählich im September sich sammelten. (Wenn Kuhl 100 000 Briten bei Mons meldet, so ist dies viel zu hoch.) Inkl. Reservedivisionen rückten die Franzosen mit 2 Millionen in 73 Divisionen (219 Brigaden) aus (2 Divisionen später dazu), die Deutschen exkl. Landsturm, Ersatz führten auf beiden Fronten anfangs auch nur 2 Millionen in 95 Divisionen (30 Res. 15 L. W.) zum Kampf (190 Brig., die französische Division war erheblich stärker). Nur durch Ersatzdivisionen wurde Ende August 1914 die deutsche Stärke im Westen den

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