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Bismarck 04

Bismarck 04

Titel: Bismarck 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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dies hätte ermöglicht, das von Truppen entblößte Zentrum früh zu durchbrechen, es wäre dann schneller und viel verlustloser erfolgt. Eine so furchtbare Stellung rein frontal anzuschneiden fällt keinem Besonnenen ein, man wird sich schön hüten, derlei zu versuchen nur im Gefühl taktischer Überlegenheit. Warnendes Beispiel: Wellingtons Talavera.
    Von der Fabel, man habe dies sogar noch gegen große Übermacht gewagt, sprechen wir Mackensen frei, ernstlich fochten 38 verbündete gegen vielleicht 35 russische D., es mögen auch nur 32 im ganzen gewesen sein, was aber hier meint: rund 520 russ. Bataillone gegen rund 420, wovon 180 deutsche, die in Rußland immer doppelt zählen, macht also 600! Der Scherz soll sagen: Mackensen focht mit so günstigem Kraftverhältnis, wie nie sonst ein deutscher Feldherr im Weltkrieg. Trotzdem war die Grodeckstellung zu furchtbar, und teures deutsches Blut durfte nicht vergossen werden für einen äußeren Erfolg. Man wird uns vorhalten, daß doch hier Zentrumstoß und innere Umfassung praktiziert wurden, was wir so warm empfehlen. Aber nicht, wenn es sich um lauter Plateauschluchten handelt, die notwendig den Stoß verlangsamen oder ganz aufhalten. Es konnte nichts helfen, daß endlich am 20. vier Divisionen an der großen Chaussee standen, alles andere weit zurück, damit ließ sich dies große Feindesheer nicht sprengen. Daß man überhaupt so weit kam, verdankte man der abnormen Fähigkeit unserer alten und jungen Garde – wir werden die ruhmvollen Märker Kriegsfreiwilligen fortan so nennen – und der abnormen Leistung einer auch an Zahl weit überlegenen Artillerie, worin Mackensen gleichfalls mehr bevorzugt als je ein anderer deutscher Führer. Für solche Artillerie gibt es keine »Stellungen«, sie schießt alles in Grund und Boden? Dann ade, Kriegskunst! Dann gibt es künftig nur noch Wirkungsschießen mit Gas- oder Dynamitbatterien, dann brauchen wir keine Heere, nur Technik und Ballistik. Gottlob sind wir noch nicht so weit. Vor solchen Linien manövriert man, greift sie nicht blindlings von vorn an. Friedrichs schräge Phalanx warf stets alle Kraft auf einen Bergflügel, bei Prag versprach sogar der Frontalangriff, übrigens unter Umfassung durch Zietens Kavallerie an der Sazawa, großen taktischen und noch mehr strategischen Erfolg, den Feind vom Plateau in die Mausefalle hinabzustoßen. Auch Napoleons waghalsige Angriffe bei Craonne–Laon verfolgten wohlbedachte Ziele. Bei Lemberg war derlei ausgeschlossen, der Feind konnte sich hier immer von einem Berg zum anderen zurückziehen, indem er uns dauernd Blut abzapfte, und behielt selbst im ungünstigsten Falle offene Rückzugslinien.
    Mackensen erinnert an Massena bei Busacco, auch insofern als dieser nicht sofort auf Neys Antrag losrannte, ehe der Feind sich droben eingerichtet. Wollte Mackensen den Ney spielen, so hätte er nicht mindestens acht Tage nach Przemysls Fall vertrödeln, sondern mit Allen, was er grade zur Hand hatte, vom San her nachstoßen sollen. Ging dies nicht, dann mußte er warten, bis Böhm nahe heran war. Dann aber mit vereinter Übermacht an Truppen und Material – denn so stand es – war etwas ganz anderes geboten, nämlich alleiniges Schwergewicht am linken Flügel. Das wußte der Großfürst auch sehr gut, daher verstärkte er unablässig seinen Nordflügel, warf auch seine Reserve 2. sib. K. sogleich hierher, weil er nichts so befürchtete als Durchbruch bei Deutschbach. Dies rollte die Lemberglinie von selber auf, denn wie durfte man im bloßgelegten Süden verharren, wenn der Gegner im Norden gegen Tomassow marschierte! Taktisch hätte dann der Rückzug von Lemberg, Böhm auf dem Halse, sich sehr unzweckmäßig gestaltet, da dann wirklich eine Spaltung eingetreten und die ganze Russenmacht nordöstlich abgedrängt wäre. Strategisch aber war dies für uns der grade Weg nach Iwangorod-Brest, Bug- und Weichsellinie wären vier Wochen früher in unsere Hand gefallen unter Ersparung maßloser Opfer. Wir treten der Wahrheit nicht zu nahe, wenn wir den Material- und Truppensieg bei Lemberg für feldherrlich ganz unfruchtbar und trotz scheinbarer äußerer Gewinne an Gefangenen und Trophäen für einen Fehlschlag halten, dessen Folgen sich in der späteren Bilanz herausstellten. Mackensen wurde zwar nicht zurückgeschlagen, wie damals Massena bei Busacco, doch seine Gefühle hätten die gleichen sein sollen wie die Massenas, als den Tag darauf St. Croix die Umgehungsstraße nach

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