Bismarck 04
herüberdröhnende Hurrah der Grenadiere zwang den Feind zum Verlassen der Höhen und Schluchten. Als die Sonne spät sank, sprengten 1. G. P. schon die Schienen östlich Magdan, 2. G. lagerte zwischen Bahn und Lemberger Chaussee. Auch 44. R. D. überwand zuletzt den Feind bei Lipnik, links von ihr nahm Div. Moser eine wichtige Höhe. Diese alte und junge Garde hatten zusammen 11 Kuppen einem an Zahl, doch nicht an Wut übermächtigen Gegner entrissen, beide R. standen jetzt mitten in und schon hinter der russischen Schlachtordnung, deren 27 km lange Mitte zerstückelt und eingerissen war, Vorderspitze schon 16 km tief eingebohrt. Allmählich kamen Moser und Emmich nachgerückt bis an die Chaussee, diese beste Verbindung mit Lemberg war also verlegt, der Feind mußte auf der Straße Zolkiew–Wielke nach Norden abziehen. Erbost über Verlust seiner Eroberungen glaubte er Lemberg noch halten zu sollen, zur Deckung des Rückzugs blieben drei Korps stehen. Marrwitz' Hessen bedrohten schon am 21. die vor 82. R. D. stehenden Verteidiger im Rücken, so daß sie sich ins Braunkohlenrevier Glinskow zurückwarfen. Am 21. machte die vom Kaiser allzufrüh beglückwünschte 35. R. D. Schmettau den Weg zur Nordwestfront frei und so auch die Bergwerkstellung Glinskow unhaltbar. Schmettau manövrierte mehr als er focht, dagegen verloren 83. R., 168. I. fast 1700 und wie gewöhnlich griff die Fama fehl; nicht 35., sondern 25. R. D. siegte. Francois drängte nun gegen Zolkiew vor, bei diesem Schlußkampf muß 269. R. seinen nächst 58. I. jeden Monatsrekord schlagenden Verlust vermehrt haben. Desgleichen 1., 3. G. heute bei Pily, da sich ihr beträchtlicher Verlust sonst nicht erklären läßt. Arz konnte indessen die Bahnstrecke noch nicht erreichen und der russische Nordflügel suchte die zerschlagene Mitte durch Ablenkungsoffensive zu entlasten. Bei Deutschbach begegneten sich beide Parteien am 20. angriffsweise, Stein rang der russischen Garde den Ort ab und H. B. spricht von 2500 Gef., obwohl die Rgts.-Geschichte vom 23. R. nur von 800 weiß. Beim Erzherzog war die Schlacht lebhaft an beiden Enden sowohl südlich bei der Kasseler Div., besonders beim nirgendsgenannten 83., als nördlich bei Besser, dessen 218. und besonders 217. seit Anbeginn sich in Kampf und Verlust teilten.
Aus einer Schlacht bei Zolkiew wurde nichts, der Russe nahm sie nicht mehr an, obschon fünf über Rava Ruska abfließende geschlagene Korps wieder kehrtmachen sollten. Der Lemberger Flügel faßte solange festen Fuß, bis Marrwitz an die Nordwestfront pochte und Böhm an der Westfront rüttelte. Am 22. früh erstieg Wiener L. W., 19. K. die erste Bastion, dann fiel eine nach der anderen, die Lysagora vor 27., 43. D., die Westfront vor 29. D., so wurde Lemberg mit Sturm genommen von 1., 24. Niederösterreichern. Man begreift nicht, daß die Nachhut so heil entkam, obwohl deutsche Artillerie die Abmarschstraße beherrschte. Alles was bei Lemberg stand, wandte sich östlich, alles Übrige nördlich. Der Zentrumkeil konnte nicht ausgewirkt werden, der Feind behielt doppelten exzentrischen Rückzug ins Hinterland. Natürlich war auch dies ein gewisser Erfolg, sonst aber blieb »der große Sieg bei Lemberg« von zweifelhafter Güte, man mußte sich mit der großen moralischen Wirkung begnügen. Wie kam das? Den ursprünglichen Vorsatz, am Südflügel über den Dnjestr zu umfassen, ließ man fallen als Zeitverlust und aus taktischen Gründen. Zeitverlust ist aber nur dann eine militärische Todsünde, wenn dadurch eine günstige Gelegenheit verpaßt wird, nicht dann, wenn abwägendes Warten eine Gelegenheit erst zur Reife bringt. Taktische Rücksichten treten in den Hintergrund, wenn große strategische Interessen den Vordergrund füllen. Der Verlauf erwies obendrein, daß die Seekette, die Brückenköpfe, die Forts leichter zu überwinden waren als die berg- und waldreiche Mittelstellung. Möglich, daß der Feind sich dann dem Schlag entzogen und Lemberg geräumt hätte. Dies zu vermeiden und unter allen Umständen zu einer Entscheidungsschlacht zu kommen war alte preußische Maxime, aber wagen ohne wägen ist stümperhaft, Schlagen um jeden Preis eine Eselsbrücke für Gedankenlosigkeit. Es war auch ganz unwahrscheinlich, daß der Feind Lemberg ohne äußersten Widerstand aufgab, denn seine Prestige-Pression auf Rumänien stand auf dem Spiele. Vielmehr würde er dann seine ganze Hauptmacht zur Dnjestrseite geworfen haben und erst
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