Bismarck 04
so stammte dies leider aus Ermüdung des Intellekts. Gleichsfalls aber wäre ein Unrecht, Delbrücks Magisterei als Allgemeintyp für Stubentheoretiker anzuprangern. Massenas und Neys praktische Kriegserfahrung schätzte Theorie so hoch, daß Massena den erst kürzlich uniformierten Zivilisten St. Croix, noch bevor Napoleon ihn als Genie entdeckte, sich als Stabschef und den Kriegshistoriker Pelet als Beirat ausbat, Ney den Zivilbeamten Jomini, dessen Schriften er drucken ließ, zum General und Stabschef mit Napoleons Billigung erkor. Nun wohl, hätte Jomini, Theoretiker ohne Praxis, den Marnerückzug befürwortet? Sowenig wie Praktiker Ludendorff, denn Haupterfordernis ist hoher Intellekt, nur dieser löst den dann von selber kommenden richtigen Willen aus.
Was man auch am mißglückten Heldenposeur aussetzen mag, der nur Imperatorgrimassen und keine Keulen schnitt, an Versäumung aller Möglichkeiten seit 1906 trägt Wilhelm keine besondere Schuld, mit deutscher Leisevertreterei läßt sich eben nichts anfangen, unschlüssiges Schaukeln ist dem deutschen Charakter angeboren.
Voltaire rühmt sich in »Geschichte Louis XV« 12 Schlachten überschlagen zu haben, da solche ohne Bedeutung seien! doch ohne diese Schlachten wäre eben historische Entwicklung eine andere gewesen. Das Buch »Südafrikanische Sphinx« des Ingenieurs Nebel rechnet Krüger und Leeds ihre Korruptionssünden vor, doch Englands Räuberei berufe sich falsch darauf: Weil mein Nachbar sich unanständig aufführt, darf ich ihn doch nicht aus seinem Hause werfen. So aber wird es immer wieder zugehen, jeder Brite bekommt Lachkrämpfe, wenn Persius den Satz »right or wrong, my country« edel übersetzt: Mein Land muß stets auf dem Rechtsweg bleiben. Und jeder Franzose bleibt unbelehrbar. Das antimilitaristische Buch »Drapeaux« beklagt würdevoll die Unterwerfung von Schleswig-Holstein, dessen Bewohner er für Dänen hält, Deutsche Befreiungskämpfe werden so Frevelannexionen! Das Pamphlet »vive l'Empereur« beschuldigt die Republik, daß sie verblendet die Bochebedrohung zu spät würdigte, angesichts 40jährigen Haßgeheuls in amtlichen Schulbüchern! »O Gerechtigkeit, so geliebt von meinen Landsleuten!« schwärmt das Buch »La Vérité« , so sieht französische Wahrheit aus, denn wann hätten Gallier je Gerechtigkeit geübt! Kein Nichtdeutscher will die Frechheit begreifen, Unterdrückung großer deutscher Minderheiten durch Polen und Tschechen auf gleiche Stufe damit zu stellen, daß früher deutsche Kulturbringer über Millionen von Halbbarbaren ein wohltätiges Regiment führten. Welch Mordgeschrei würden Briten aufschlagen, wenn ein paar Englischsprachige vergewaltigt würden wie die Südtiroler! John Bull hört eben »lieber 10 Lügen übers Ausland als 1 Wahrheit über sich selbst« (Byron). Pazifismus ist günstigenfalls Selbstbetrug, besorgt aber stets nur Geschäfte des Auslandes, dem er jede Backe zum Ohrfeigen hinhält. Nichtdeutsche Genossen schütteln verblüfft den Kopf, daß man als Sozialist ein vaterlandsloser Lump sein müsse, ihr heiliger Egoismus trägt Verbrüdern nur unnützlich im Munde. Krieg ist eine Gottesgeisel, Friede ein Gut aufs innigste zu wünschen, frisch-frei-fröhlichen Krieg wünschen nur Kadetten, aber da Kampf der Vater aller Dinge, wie soll dann im ewigen Klassenkampf Frieden herrschen, im unlautern Wettbewerb der Nationen je Krieg vermieden werden?
Hellpach irrt, daß nur gemeinsame Sprache die gemischte deutsche Rasse zusammenhalte, wie Chamberlain irrt, daß Religion die Rasse mache. Keltische und slavische Mischung ist bei uns unendlich schwächer als die heterogene in England, Frankreich, Italien, Spanien, Rußland (man findet wunderbare Aufklärung über drei ganz verschiedene Rassenblöcke Frankreichs in Thierrys Geschichte der normannischen Eroberung). Trotz getrennter Stammgeschichte besteht so einheitlicher deutscher Typ, daß man Stammunterschiede nur schwer herausfindet. Dies färbt sogar auf die Juden ab, sofern sie länger ansässig als die erst spät eingewanderten polnischen Juden, man denke an den Typ Rathenau, der an unglücklicher Liebe fürs Germanentum krankt wie Heine und Lassalle bei sich herausfühlten. Als deutsche Kulturglieder unterscheiden sich solche Juden entschieden von den ausländischen. Der deutsche Typ als gesonderte abgeschlossene Rasse muß gegen Verwässerung verteidigt werden, internationale Esperanto-Überschwemmung wäre Untergang jeder höhern
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