Bismarck 04
ab«. Kaum stottert ein Statist, »die Pferde sind gesattelt«, als er auch schon in der Versenkung verschwindet.
Als die parfümierten Emigrantenherrchen den roten durch weißen Schrecken vertreiben wollten mit obligaten Protestanten-Pogroms unter Pfaffensegen, bereiteten sie nur neuen Sturz der Bourbons vor und die Geheimfeme unserer rüdigen Reaktionsbanden kann nur die ersehnte Monarchie diskreditieren. Die Verbrechen der Jakobinersekte hatten wenigstens einen heißen Odem, Konventedikte rühren oft durch Wärme mißleiteter Menschenliebe, die mit rasender Überstürzung Paradiesbäume pflanzen wollte; der Wohlfahrtsausschuß leistete ehrliche Arbeit gegen den Landesfeind, während unsere Jammerrepublik jede Posse von Locarno und jede Komödie von Genf begrüßt, weil sie sich nur in Schwäche und Faulheit wohlfühlt und dem Vernichtungswillen feige Schlagworte zu Füßen wirft. Aus Genf könnte nur Gutes kommen, wenn nicht Futterkrippen-Schieber dort aufmarschieren, sondern aufrechte Gestalten. Haltet Euer Pulver trocken, heißt der Weisheit letzter Schluß im Völkerleben!
II.
Wilhelm beschuldigte vor Franz Joseph den »ungehorsamen Untertan«: Dessen persönlicher Egoismus hintertreibe jede kriegerische Austragung. Nun, Bismarcks fruchtloses Sozialistengesetz bedeutete ein Alterssymptom, Scharfmacherei wäre besser in auswärtiger Politik am Platze gewesen. Er hinterließ die Losung »Saturiertheit«, doch was heißt Sättigung, wo doch die zahlenmäßig viel kleineren Weststaaten ihr Expansionsbedürfnis zum Fleck an der Sonne rücksichtslos durchsetzen? Gewiß, einst konnte die in allen Fugen krachende Rüstung nicht solche Ausrenkung des Reichs von Düna bis Rhone, von Eider bis Etsch ertragen. Nachdem sich Friedrich II. in Toulouse als König von Arelate krönen ließ, nannte auch Karls IV. goldne Bulle Arles, Genf, Mailand, Pisa Reichsstädte. Bischöfe von Utrecht, Lüttich, Verdun und Herzöge von Lotharingien blieben der Kaiser treuste Schildhalter, den Erwerb von ganz Italien unter Heinrich VI. konnte das feurigste Ghibellinentum nicht behaupten. Doch heut? Zurückschrauben von 80 Millionen Deutscher auf ein Areal, dem man ganze Fetzen mit deutschen Minoritäten vom Leibe riß, solch unnatürliche Entmachtung kann kein Versailles in Genf befehlen. Ein dem Ausland unbegreiflicher Expansionsverzicht, um nur nicht zum Schwerte greifen zu müssen, schien schon lange zu bestehen: Wir Neudeutschen fürchten zwar nicht Gott, sonst Alles auf der Welt. Band Bismarcks »chauchemar des coalitions« ? Freilich, wo Könige Bausteine zusammenschleppen, da bauen die Kärner. Die Wilhelmstraße übersetzte solche Friedensweisheit noch ins Dilettantische, fuhr Spritzen statt Kanonen auf, zugleich Friedenswart und Attila. Für die chinesische Boxerposse quittierte später Lloyd Georges Knockout-Boxerei, das knackfüßige »Völker Europas«, wo ein schlitzäugiger Buddha die Beine unterschlägt, kam in Kiantschau zu japanischer Auktion, die heiligsten Güter wurden sehr wohlfeil losgeschlagen. Spiele nicht mit Schießgewehr! Man schafft nicht Brennholz zum eigenen Scheiterhaufen, Schaukeln bringt nur Hereinfall, friedliche Profitmacherei trainiert nicht zum Kampf um Sein oder Nichtsein. Man lebt nicht gesund im völkerbundlichen Kuckucksheim, doch auch nicht in Kaserne eines Kürassiergeistes, der mit Siebenmeilenstiefeln poltert und Faustrecht proklamiert und doch immer nur auf dem Flecke stampft. Statt festem Auftreten nervöse Panthersprüngchen, statt entschlossener Aussprache nur Briefe, die ihn nicht erreichten wie in der Burenpendelei. Will man Weltpolitik, soll man nicht als Friedenskaiser glänzen.
Aber lavierte denn Greis Bismarck mit sicherm Steuer, indem er sich auf wertlose Rückversicherung einließ? Kleine Geschenke erhalten nur die Feindschaft, die trotz der Tunisgabe lieber Englands Faschodaohrfeige einsteckte. Weil Albion sich nur mit dem Stolz seiner Leitartikel umgürtete, mußte man es deshalb streicheln, desinteressiert in Ägypten, statt englisch-französischen Interessengegensatz zu verschärfen, und eigene Kolonialpolitik hintanstellen, Peters anfangs als Abenteurer desavouieren und ans Foreign Office denunzieren! Unvergleichliche Meisterschaft bis 1871 ging in Ängstlichkeit über, die auf dem Berliner Kongreß als ehrlicher Makler nicht mal Gebühren einstrich. Bulgarien nicht die Knochen eines pommerschen Grenadiers wert? heut bleichen da viele deutsche neben bulgarischen, der Balkan
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