Bismarck 04
Zentralismus an den Roi Soleil vermachte, vererbte dieser an die Jakobiner den terroristischen Militär- und Polizeiapparat und bürokratische Einheitsmaschine. Diese, mit Chauvinismus geölt, brachte Napoleon in Schwung, bis ihr Rückstoß ihn selbst zerschmetterte, heut setzten sich die festgefahrenen Räder wieder in krampfhafte Bewegung. England verkaufte sein Erstgeburtsrecht freiheitlicher Verfassung fürs Linsengericht imperialen Machtwillens, »Briten werden nie Sklaven sein« hieß der Fälschungsrefrain zu »Britania, beherrsche das Meer!« Einst hoffte Spanien nach Schlachten der Henne, daß sie noch goldene Eier lege, doch Aussaugen der Kolonien raubte dem eigenen Volke die sittliche Kraft, scheinbare Weltmacht gibt sich selbst den Todesstoß in Ohnmacht unnatürlicher Expansion. Wenn Annunzio den Egoismus heiligt, sollte ihn schon Venedigs Schicksal belehren, daß Imperialismus umsonst nach innen eiternde Wunden mit Purpur verbindet, solch Verbandzeug wirkt nicht antiseptisch. Wie Spanien seine West- und Ostkolonien durch gemeinsamen Rat von Indien aus Madrid plünderte, so England das riesige Hindustan durch Londoner Kompagnie, deren Verwandlung in Vizekönigstum nur merkantilen Baumwollenschwindel ins Bürokratische übersetzte. Frankreich beteiligte sich am internationalen Gründertum schon durch Laws Missisippiaktien, Suez- und Panamaaktien, Syndikate für »Zivilisierung« Afrikas besorgten Imperialpolitik, die in England ihr reifstes Basiliskenei ausbrütete. Deutschland und Italien lehnten freilich politischen Zentralismus (gleich finanzieller Trustamalgamierung) ab, deutsches Wahlkönigtum förderte freie Gliederung der Stände, doch wie bei griechischen Freistaaten gegenüber mazedonischem und römischem Imperialismus schwächte Dezentralisierung im rohen Daseinskampf. Ursprünglich litten die Westvölker unter weit ärgerer Zerfahrenheit, doch Nationalstolz gegen das Ausland überwand jede Hemmung auch kultureller Rückständigkeit, so daß das früher bettelarme, durch stete Bürgerkriege verwüstete England sich 1600 mit einem Sprung in die Vorderreihe der Kultur stellte und das bis Heinrich IV. ähnlich heimgesuchte Frankreich seit 1650 sein Zivilisationszepter nicht mehr aus der Hand legte. Unser Nationalepos besingt die Nibelungentreue, weil sie den Deutschen so bitter mangelt, nicht mal ihrer geschichtlichen Vergangenheit bewahren sie Treue, sonst hätten sie nicht das Geflunker mitgemacht, sie seien eine junge Macht und junge Kultur. Die Emporkömmlinge an Seine und Themse vertuschen umsonst, daß wir lange vor Dante als Literaturgewaltige prangten, schon Otto III. wollte nicht feudale, sondern geistige Kulturherrschaft der Deutschen. Und sozial? In England lächelte Richard III. boshaft, wenn das von jeder Despotenlaune ausgeplünderte London mit Privilegien prahlte! Heinrich VIII. und die Heuchlerin Elisabeth legten den Grund aller sozialen Übel, die »Sternkammer« als nationale Folterkammer blieb Vorbild verzopfter Klassenjustiz bis ins 19. Jahrhundert, während schon unsere Reichskammergerichte einen wirklichen Rechtsstaat vertraten. Unter Jakob II. wurden politisch Mißliebige als Sklaven verkauft, die »glorreiche« Verfassung mit unerhörtem Wahlschwindel nahm erst 1831 menschenwürdige Formen an. Wer mit chauvinistischem Purzelbaum sich auf den Kopf stellt, sieht alles verkehrt. Den überheblichen Westvölkern führten schon »Über Deutschland« der Staël, »England und die Engländer« von Bulver zu Gemüte, daß Deutschland ungleich mehr Behagen und Freiheit genieße. Wohl fiel schon beim Armagnachhandel das berufene Wort von Frankreichs natürlichen Grenzen, doch die Elsässer halfen sich selbst gegen den französischen Marder, der bis Richelieu nur scheu den Taubenschlag umstrich. Erst das Pendeln der Reichsstände zwischen Österreich und Preußen machte das graue Elend der Serenissimi und Staatsprofessoren zu ständiger Institution der Entmachtung, die noch heute Eifersüchteln der »Länder« untereinander aufrechterhält.
So wird die zahlenmäßig und energetisch stärkste Europarasse, die fleißigste und begabteste, durch sich selbst herabgewürdigt, weil sie statt brutalen Machtwillens der Westvölker immer nur bornierte Obrigkeiten als Führer des Volkes ins Treffen führt. Kusch dich, Pudel, das ist der Wahrheit Kern, der Kasus macht uns freilich nicht lachen, sondern den Zauber wünschen, daß der Pudel sich plötzlich in den Löwen des furor Teutonicus
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