Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
jemand etwas antut.«
Ich drehte mich weg, damit sie mein Gesicht nicht sehen konnte.
Mein Blick fiel auf das Briefpapier, das auf dem Tisch lag. Das brachte mich auf eine Idee. Langsam ging ich darauf zu; es gab auch Umschläge, das war gut.
»Alice«, fragte ich langsam und ruhig, ohne mich umzudrehen. »Wenn ich meiner Mutter einen Brief schreibe, kannst du ihn ihr geben? Also, ihn irgendwie im Haus hinlegen, wo sie ihn findet?«
»Na klar, Bella«, sagte sie bekümmert. Sie sah, wie aufgelöst ich war. Ich musste mich noch mehr zusammenreißen.
Ich ging zurück ins Schlafzimmer und kniete mich neben den kleinen Nachttisch.
Edward , schrieb ich. Meine Hand zitterte; was ich schrieb, war kaum zu entziffern.
Ich liebe Dich. Es tut mir so leid. Er hat Mom, ich muss es probieren. Es kann sein, dass es umsonst ist. Es tut mir so leid.
Sei nicht böse auf Alice und Jasper. Wenn ich es schaffe, ihnen zu entwischen, dann nur durch ein Wunder. Richte ihnen meinen Dank aus, bitte – besonders Alice.
Und bitte, bitte, such nicht nach ihm, denn das ist es, was er will. Ich könnte es nicht ertragen, wenn jemand wegen mir verletzt würde. Wenn Du verletzt würdest. Das ist das Einzige, worum ich Dich bitte.
Ich liebe Dich. Verzeih mir.
Bella
Ich faltete den Bogen sorgfältig zusammen und schob ihn in den Umschlag. Dann verschloss ich den Brief. Früher oder später würde er ihn finden. Ich hoffte nur, er würde es verstehen und nur dieses eine Mal auf mich hören.
Und dann verschloss ich sorgfältig mein Herz.
U nheimliche Heimkehr
Verging die Zeit langsamer als sonst? Die Angst, die Verzweiflung, das Zerspringen meines Herzens – hatte das alles wirklich nur wenige Minuten gedauert? Es musste wohl so sein, denn als ich wieder nach nebenan ging, war Jasper noch immer nicht zurückgekehrt. Ich fürchtete mich davor, im selben Zimmer zu sein wie Alice – ich hatte Angst, dass sie etwas merken würde … und Angst, etwas vor ihr zu verbergen.
Ich hätte nicht gedacht, dass mich, so aufgewühlt, wie ich war, noch etwas überraschen könnte, doch ihr Anblick brachte mich aus der Fassung: Sie war über den Schreibtisch gebeugt, umfasste seine Kanten mit ihren Händen und wiegte ihren Kopf langsam hin und her.
»Alice?«
Sie reagierte nicht. Dann sah ich ihr Gesicht und den leblosen, benommenen Ausdruck ihrer Augen. Mom!, dachte ich panisch. War es schon zu spät?
Ich eilte zu ihr und wollte ihre Hand berühren, doch Jasper kam mir zuvor.
»Alice!«, rief er aus. Im selben Moment stand er schon hinter ihr, ergriff ihre Hände und löste sie von der Tischkante. Mit einem leisen Klicken fiel die Zimmertür ins Schloss.
»Was ist los?«, wollte er wissen.
Sie wandte sich um und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. »Bella«, sagte sie.
»Ich bin hier«, sagte ich.
Ihr Kopf schnellte herum, und ein seltsam leerer Blick erfasste mich. Sie hatte nicht mit mir gesprochen, schoss es mir durch den Kopf – sie hatte auf Jaspers Frage geantwortet.
»Was hast du gesehen?«, fragte ich mit ausdrucksloser Stimme, obwohl ich die Antwort kannte.
Jasper musterte mich scharf, doch ich schaute teilnahmslos zur Seite. Er spürte das Chaos der Gefühle; verwirrt schoss sein Blick zwischen Alice und mir hin und her.
Dann merkte ich, wie eine tiefe Ruhe mich erfüllte, und dieses Mal war ich dankbar dafür, denn sie machte es leichter, meine Gefühle zu unterdrücken.
Auch Alice fing sich wieder.
»Gar nichts, wirklich«, antwortete sie bemerkenswert gelassen und überzeugend. »Nur denselben Raum wie vorher.«
Sie schaute mich an; ihr entrückter Ausdruck gab nichts preis. »Möchtest du etwas frühstücken?«
»Ich esse lieber am Flughafen was.« Auch ich war auf einmal sehr ruhig. Und als hätte ich für einen Moment Jaspers Gabe, spürte ich Alice’ dringendes, wenn auch gut verstecktes Verlangen, allein mit ihm zu sein, um ihm zu sagen, dass sie einen Fehler machen, dass sie versagen würden …
Ich ging duschen und bereitete mich Schritt für Schritt auf den Tag vor. Meine Haare trug ich offen, so dass sie frei über mein Gesicht fallen konnten. Die entspannte Stimmung, die Jasper erzeugt hatte, half mir dabei, klar zu denken und mein Vorgehen zu planen. Ich durchwühlte meine Tasche, bis ich die Socke mit dem Geld fand, nahm es heraus und schob es in meine Hosentasche.
Dann saß ich wie auf glühenden Kohlen, bis wir um sieben endlich zum Flughafen aufbrachen. Diesmal hatte ich die Rückbank für mich
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