Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
flackerten wild genug, um zu vermitteln, was ich ungesagt ließ.
Jasper stand auf. Alice war verwirrt, doch glücklicherweise schöpfte sie keinen Verdacht. Ich nahm an, dass sie ihre jüngste Vision auf einen Schachzug von James schob, nicht auf einen Betrug von mir.
Schweigend ging Jasper neben mir her. Seine Hand lag auf meinem Rücken, so als würde er mir den Weg weisen. Ich tat so, als hätte ich kein Interesse an den ersten Cafés, an denen wir vorüberkamen, und hielt Ausschau nach dem, was ich wirklich suchte. Als wir um die Ecke bogen und Alice uns nicht mehr sehen konnte, sah ich sie: die Damentoiletten.
»Darf ich mal kurz?«, fragte ich Jasper, als wir daran vorbeigingen. »Geht ganz schnell.«
»Ich warte hier«, sagte er.
Die Tür schloss sich hinter mir und ich rannte los. Ich hatte mich in diesen Toiletten mal verlaufen, deshalb wusste ich, dass sie noch einen zweiten Ausgang hatten.
Von dort war es nicht weit bis zu den Fahrstühlen, und wenn Jasper blieb, wo er war, würde er mich nicht sehen können. Ich rannte, ohne mich umzuschauen – das war meine einzige Chance, und selbst wenn er mich entdeckte, gab es nichts anderes, was ich tun konnte. Ich ignorierte die Blicke der Leute, bog um die Ecke und hielt meine Hand zwischen die sich schließenden Türen eines vollbesetzten Fahrstuhls. Er fuhr nach unten. Ich quetschte mich zwischen die verärgerten Passagiere und schaute, ob der Knopf für Ebene eins gedrückt war. Er leuchtete, und die Tür schloss sich.
Sobald sie sich wieder öffnete, rannte ich weiter; hinter mir hörte ich empörte Stimmen. Unter den Augen der Sicherheitsbeamten am Gepäckband bremste ich etwas ab, nur um sogleich wieder zu rennen, als die Ausgänge in Sicht kamen. Ich wusste nicht, ob Jasper schon nach mir suchte. Falls ja, falls er schon dabei war, meinem Geruch zu folgen, blieben mir nur Sekunden. Ich raste auf die automatischen Türen zu und wäre fast gegen das Glas geprallt, weil sie sich zu langsam öffneten.
Draußen warteten jede Menge Menschen, aber kein einziges Taxi.
Mir blieb keine Zeit. Falls Alice und Jasper mein Verschwinden bislang noch nicht bemerkt hatten, war es nur eine Frage von Sekunden. Und ebenso schnell würden sie mich anschließend aufspüren.
Ein paar Schritte entfernt schlossen sich gerade die Türen eines Busses.
»Halt!«, rief ich und winkte dem Fahrer.
»Das ist der Shuttle zum Hyatt«, sagte er verdutzt, als er die Tür öffnete.
»Ja«, schnaufte ich. »Da muss ich hin.«
Er schaute zwar etwas entgeistert, als ich atemlos und ohne jedes Gepäckstück einstieg, schüttelte dann aber bloß den Kopf und fuhr los.
Der Bus war fast leer. Ich suchte mir einen Platz in größtmöglicher Entfernung von den anderen Fahrgästen und sah zu, wie zuerst der Gehweg und dann der Flughafen selber hinter uns zurückblieben und schließlich verschwanden. Unwillkürlich dachte ich an Edward und stellte mir vor, wie er an der Bordsteinkante stand, wo meine Spur endete. Nicht weinen, sagte ich mir. Nicht jetzt. Ich hatte noch einen langen Weg vor mir.
Mein Glück hielt an. Vor dem Hyatt nahm gerade ein erschöpftes Paar die letzten Gepäckstücke aus dem Kofferraum eines Taxis. Ich sprang aus dem Bus, rannte zum Taxi und stieg hinter dem Fahrer ein. Das Paar und der Busfahrer starrten mich an.
Ich nannte dem verblüfften Fahrer die Adresse meiner Mutter. »Ich muss so schnell wie möglich dort sein.«
»Das ist in Scottsdale«, wandte er ein.
Ich reichte ihm vier Zwanziger nach vorne.
»Reicht das?«
»Aber sicher, kein Problem.«
Ich ließ mich in den weichen Sitz sinken und verschränkte meine Arme. Die vertrauten Gebäude flogen an mir vorbei, doch ich hatte keinen Blick für sie. Ich war damit beschäftigt, meine Gefühle im Zaum zu halten. Jetzt, da ich meinen Plan erfolgreich umgesetzt hatte, war ich entschlossen, mich nicht der Angst und der Panik zu ergeben. Wozu auch? Mein Weg lag vor mir. Ich musste ihn nur noch zu Ende gehen.
Also schloss ich die Augen und verbrachte die nächsten zwanzig Minuten mit Edward.
Ich stellte mir vor, ich wäre am Flughafen geblieben, um ihn zu empfangen: wie ich mich auf die Zehenspitzen gestellt hätte, um sein Gesicht ein bisschen früher zu erblicken, wie schnell und elegant er sich seinen Weg durch die Menschenmenge gebahnt hätte, wie ich ihm – leichtsinnig und stürmisch wie immer – auf den letzten Metern entgegengerannt wäre und er mich in seine harten Arme genommen hätte. Wie ich
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