Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
meinen braunen Rollkragenpullover an, dazu die unvermeidlichen Jeans – beim Gedanken an Spaghettiträger und Shorts entrang sich mir ein sehnsüchtiges Seufzen. Das Frühstück verlief so still wie immer. Charlie briet sich ein paar Eier, ich aß eine Schale Cornflakes. Als ich mich gerade fragte, ob er die Sache mit Samstag wohl schon vergessen hatte, nahm er seinen leeren Teller, stand auf und gab mir die Antwort.
»Die Sache mit Samstag …«, begann er, während er zum Abwasch ging und den Wasserhahn aufdrehte.
Ich zuckte zusammen. »Ja, Dad?«
»Willst du immer noch nach Seattle fahren?«
»Eigentlich hatte ich das vor.« Ich verzog das Gesicht und wünschte mir, er hätte das Thema nicht angeschnitten und würde mich nicht zwingen, mir spitzfindige Halbwahrheiten aus den Fingern zu saugen.
Er quetschte ein paar Tropfen Spülmittel auf seinen Teller und verteilte es mit der Bürste. »Und du bist dir sicher, dass du nicht rechtzeitig zum Ball wieder hier sein könntest?«
»Ich gehe nicht zum Ball, Dad.« Verärgerung trat in meine Augen.
»Hat dich niemand gefragt?« Er gab sich Mühe, seine Besorgnis zu überspielen, indem er sich auf das Abspülen seines Tellers konzentrierte.
Ich wich dem Minenfeld aus. »Es ist Damenwahl.«
»Oh.« Stirnrunzelnd trocknete er den Teller ab.
Er tat mir leid. Es war sicher nicht leicht, Vater einer Tochter zu sein – einerseits fürchtete man den Moment, in dem sie einen Jungen kennenlernte, den sie mochte, andererseits hatte man Angst, dass sie keinen kennenlernte. Wenn er auch nur die leiseste Ahnung hätte, spekulierte ich schaudernd, auf was für eine Art von Jungen meine Wahl gefallen war – eine grauenhafte Vorstellung!
Dann winkte Charlie zum Abschied und verließ das Haus. Ich ging nach oben, um meine Zähne zu putzen und die Schulbücher einzupacken. Als ich den Streifenwagen wegfahren hörte, konnte ich mich gerade mal ein paar Sekunden lang davon abhalten, zum Fenster zu gehen und hinauszusehen. Der silberne Volvo stand bereits auf Charlies Platz in der Auffahrt. Ich sprang mit langen Sätzen die Treppe hinunter und fragte mich, ob es von nun an jeden Morgen so sein würde. Ich wollte nicht, dass es jemals endete.
Edward wartete im Auto und schien mich gar nicht zu beachten, als ich die Tür ins Schloss fallen ließ, ohne mir die Mühe zu machen, sie zu verriegeln. Ich ging zum Auto und hielt schüchtern inne, bevor ich die Tür öffnete und einstieg. Er begrüßte mich mit einem entspannten Lächeln und sah wie immer unerträglich schön aus.
»Guten Morgen.« Seine Stimme war seidenweich. »Wie geht’s?« Sein Blick strich über mein Gesicht, als wäre seine Frage mehr als bloße Höflichkeit.
»Gut, danke.« Mir ging es immer gut – viel besser als gut – in seiner Nähe.
Sein Blick verharrte auf den Ringen unter meinen Augen. »Du siehst müde aus.«
»Ich konnte nicht schlafen«, gestand ich und schob mir ganz automatisch die Haare schützend über die Schulter.
»Ich auch nicht«, scherzte er und ließ den Motor an. So langsam gewöhnte ich mich an das ruhige Surren. Höchstwahrscheinlich würde mir das donnernde Geräusch meines Transporters Angst einjagen, wenn ich mal wieder mit ihm fuhr.
Ich lachte. »Das glaub ich gern. Wahrscheinlich hab ich sogar noch ein bisschen mehr Schlaf bekommen als du.«
»Darauf möchte ich wetten.«
»Und, was hast du die ganze Nacht gemacht?«, fragte ich.
Er lachte. »Keine Chance. Heute stelle ich die Fragen.«
»Ach ja, stimmt. Was willst du wissen?« Meine Stirn legte sich in Falten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendwas an mir auch nur halbwegs interessant für ihn sein könnte.
»Was ist deine Lieblingsfarbe?«, fragte er völlig ernsthaft.
Ich verdrehte die Augen. »Die ändert sich täglich.«
»Was ist heute deine Lieblingsfarbe?« Er meinte es wirklich ernst.
»Braun wahrscheinlich.« Ich suchte meine Klamotten meistens nach Stimmung aus.
Er schnaubte verächtlich und verlor seinen gravitätischen Ausdruck. »Braun?«, fragte er skeptisch.
»Klar, warum nicht? Braun ist warm. Ich vermisse Braun. Baumstämme, Felsen, Erde – alles, was braun sein sollte, ist hier ganz und gar mit pampigem, grünem Zeug bedeckt.«
Mein kleiner Ausbruch schien ihn zu faszinieren; er schaute mir in die Augen und dachte einen Moment darüber nach.
»Du hast Recht«, sagte er schließlich, wieder ernsthaft. »Braun ist warm.« Blitzschnell – und doch zögernd – hob er seine Hand
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