Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
verflogen. Ich konnte immer noch nicht über das hinwegsehen, was da passierte, wie Billy es offenbar tat, aber ich konnte Jacob auch nicht verurteilen. So funktioniert die Liebe nicht, dachte ich. Wenn man jemanden erst mal gernhatte, konnte man ihn nicht mehr nüchtern betrachten. Jacob war mein Freund, ob er nun Menschen umbrachte oder nicht. Und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.
Als ich daran dachte, wie friedlich er geschlafen hatte, verspürte ich einen überwältigenden Drang, ihn zu beschützen. Völlig absurd.
Absurd oder nicht, ich grübelte über sein friedliches Gesicht nach und versuchte eine Antwort zu finden, eine Möglichkeit, ihn zu beschützen, während der Himmel langsam etwas heller wurde.
»Hi, Bella.«
Jacobs Stimme kam aus der Dämmerung, und ich zuckte zusammen. Sie hatte leise, fast schüchtern geklungen, aber ich erschrak trotzdem, weil ich damit gerechnet hatte, dass seine Schritte auf den Steinen mich warnen würden. Ich sah seine Silhouette vor dem nahenden Sonnenaufgang – er sah riesig aus.
»Jake?«
Er stand mehrere Schritte von mir entfernt und trat unsicher von einem Fuß auf den anderen.
»Billy hat mir gesagt, dass du vorbeigekommen bist. Du hast nicht sehr lange gebraucht, was? Ich wusste, dass du es rauskriegst.«
»Ja, jetzt erinnere ich mich wieder an die richtige Geschichte«, flüsterte ich.
Eine lange Weile blieb es still, und obwohl es immer noch zu dunkel war, um gut zu sehen, kribbelte es auf meiner Haut, so als ob er mich prüfend anschaute. Offenbar konnte er meinen Gesichtsausdruck besser erkennen, denn als er wieder sprach, lag plötzlich Wut in seiner Stimme.
»Du hättest auch anrufen können«, sagte er schroff.
Ich nickte. »Ich weiß.«
Jacob begann auf den Steinen auf und ab zu gehen. Wenn ich ganz angestrengt lauschte, konnte ich durch das Geräusch der Wellen hindurch hören, wie seine Füße ganz leise die Steine streiften. Meine Schuhe hatten auf den Steinen geklappert wie Kastagnetten.
»Wieso bist du hergekommen?«, fragte er, ohne in seinem wütenden Schritt zu verharren.
»Ich dachte, es wäre besser, wenn wir uns gegenüberstehen.«
Er schnaubte. »O ja, viel besser.«
»Jacob, ich muss dich warnen …«
»Vor den Rangern und den Jägern? Keine Sorge, das wissen wir schon.«
»Keine Sorge?«, sagte ich ungläubig. »Jake, die sind bewaffnet! Sie stellen Fallen auf und es sind Belohnungen ausgesetzt und …«
»Wir können schon auf uns aufpassen«, knurrte er. Er ging weiter hin und her. »Die kriegen keinen von uns. Sie machen es nur noch schwieriger – sie werden auch bald verschwinden.«
»Jake!«, zischte ich.
»Wieso? Das wird so kommen.«
Meine Stimme war schwach vor Abscheu. »Wie kannst du … das sagen? Du kennst die Leute doch. Charlie ist auch dabei!« Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um.
Er blieb unvermittelt stehen. »Was sollen wir denn noch tun?«, sagte er.
Die Sonne färbte die Wolken über uns silbrig rosa. Jetzt sah ich seinen Gesichtsausdruck. Zorn lag darin, Enttäuschung und das Gefühl, verraten worden zu sein.
»Kannst du … also, kannst du nicht versuchen, kein … Werwolf zu sein?«, flüsterte ich.
Er hob die Hände. »Als ob ich eine Wahl hätte!«, rief er. »Und was würde das auch ändern – wenn du dir Sorgen darum machst, dass Leute verschwinden.«
»Ich verstehe dich nicht.«
Er sah mich wütend an, die Augen schmal, den Mund zu einem Knurren verzerrt. »Weißt du, was mich so sauer macht, dass ich kotzen könnte?«
Ich zuckte vor seiner Feindseligkeit zurück. Er schien eine Antwort zu erwarten, deshalb schüttelte ich den Kopf.
»Du bist so eine Heuchlerin, Bella – da sitzt du und hast Angst vor mir! Ist das etwa gerecht?« Seine Hände bebten vor Zorn.
»Heuchlerin? Was hat es mit Heuchelei zu tun, wenn ich Angst vor einem Monster hab?«
»Bah!« Er stöhnte, presste die zitternden Hände an die Schläfen und kniff die Augen zu. »Weißt du überhaupt, was du da sagst?«
»Wieso?«
Er kam zwei Schritte auf mich zu und beugte sich wutentbrannt über mich. »Tja, tut mir leid, dass ich nicht das richtige Monster für dich bin, Bella. Ich bin wohl einfach nicht so cool wie dein Blutsauger, was?«
Ich sprang auf die Füße und starrte wütend zurück. »Nein, bist du nicht!«, rief ich. »Es geht nicht darum, was du bist , du Idiot, es geht darum, was du tust !«
»Was willst du damit sagen?«, brüllte er, und sein ganzer Körper bebte vor Zorn.
Ich war
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