Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
hielt sie auf. »Willst du auch los?«
Ich zögerte, mein Magen fuhr immer noch Loopings. Was könnte ich sagen, um ihn aufzuhalten? Mir war so schwindelig, dass mir nichts einfiel.
»Bella?«
»Vielleicht ist es doch noch zu früh, um nach La Push zu fahren«, flüsterte ich.
»Finde ich auch«, sagte er, ging hinaus in den Regen und machte die Tür hinter sich zu.
Sobald er außer Sicht war, ließ ich mich zu Boden sinken und legte den Kopf zwischen die Knie.
Sollte ich Charlie hinterhergehen? Aber was sollte ich dann sagen?
Und was war mit Jacob? Er war mein bester Freund, ich musste ihn warnen. Wenn er wirklich ein – ich schauderte und musste mich zwingen, das Wort zu denken – Werwolf war (und ich wusste, dass es stimmte, ich spürte es), dann würden die Leute auf ihn schießen! Ich musste ihm und seinen Freunden sagen, dass man versuchen würde, sie zu töten, wenn sie als riesige Wölfe herumliefen. Ich musste ihnen sagen, dass sie damit aufhören sollten.
Sie mussten aufhören! Charlie war dort im Wald. Aber würde das für sie eine Rolle spielen? Ich wusste es nicht … Bis jetzt waren nur Fremde verschwunden. Hatte das etwas zu bedeuten oder war es reiner Zufall?
Ich musste daran glauben, dass es wenigstens für Jacob eine Rolle spielte.
So oder so musste ich ihn warnen.
Oder … doch nicht?
Jacob war mein bester Freund, war er womöglich auch ein Monster? Ein echtes, teuflisches Monster? Durfte ich ihn warnen, wenn er und seine Freunde … Mörder waren? Wenn sie harmlose Wanderer kaltblütig abschlachteten? Wenn sie wahrhaftig Figuren aus einem Horrorfilm waren, war es dann nicht falsch, sie zu schützen?
Der Vergleich mit den Cullens drängte sich auf, ich konnte nichts dagegen tun. Ich schlang die Arme um meine Brust und kämpfte gegen das Loch an, während ich an sie dachte.
Natürlich hatte ich nicht die geringste Ahnung von Werwölfen. Wenn ich überhaupt eine Vorstellung hatte, dann war sie von den Werwölfen geprägt, die ich aus Filmen kannte – große behaarte Halbmenschen, so was in der Art. Ich wusste also auch nicht, weshalb sie auf die Jagd gingen – ob aus Hunger, Durst oder der Lust am Töten. Es war schwer, über sie zu urteilen, wenn man das nicht wusste.
Aber es konnte nicht mächtiger sein als das, wogegen die Cullens angingen in ihrem Bestreben, gut zu sein. Ich dachte an Esme – mir kamen die Tränen, als ich ihr liebes, freundliches Gesicht vor mir sah – und wie sie, die so mütterlich und liebevoll war, sich beschämt die Nase zuhalten und vor mir weglaufen musste, als ich blutete. Mächtiger konnte es nicht sein. Ich dachte an Carlisle, der jahrhundertelang gekämpft hatte, bis er den Geruch von Blut ignorieren und als Arzt Leben retten konnte. Etwas Schwereres konnte es nicht geben.
Die Werwölfe hatten sich für einen anderen Weg entschieden.
Wofür sollte ich mich jetzt entscheiden?
M örder oder Beschützer?
Wenn es nicht ausgerechnet Jacob wäre, dachte ich kopfschüttelnd, als ich die waldgesäumte Straße nach La Push fuhr.
Ich wusste noch immer nicht genau, ob ich das Richtige tat, aber ich hatte einen Kompromiss mit mir geschlossen.
Ich würde Jacob und seinen Freunden nicht verzeihen, was sie taten. Jetzt verstand ich seine Worte der letzten Nacht – dass ich ihn vielleicht nicht wiedersehen wollte –, und ich hätte ihn auch anrufen können, wie er vorgeschlagen hatte, aber das wäre mir feige vorgekommen. Ich wollte wenigstens persönlich mit ihm sprechen, das war ich ihm schuldig. Ich musste ihm ins Gesicht sagen, dass ich nicht einfach über das hinwegsehen konnte, was da passierte. Ich konnte nicht mit einem Mörder befreundet sein und schweigen, während das Töten weiterging … Damit würde ich selbst zum Monster werden. Aber es war auch undenkbar, ihn nicht zu warnen. Ich musste alles tun, um ihn zu schützen.
Ich hielt vor dem Haus der Blacks, die Lippen fest zusammengepresst. Es war schlimm genug, dass mein bester Freund ein Werwolf war. Musste er auch noch ein Monster sein?
Das Haus war dunkel, kein Licht hinter den Fenstern, aber es war mir egal, ob ich sie weckte. Mit voller Wucht hämmerte ich mit der Faust an die Tür, das Geräusch hallte von den Wänden zurück.
»Herein«, rief Billy kurz darauf, und ein Licht ging an.
Ich drehte den Türknauf, die Tür war unverschlossen. Billy lehnte in der Tür neben der kleinen Küche. Er hatte sich einen Bademantel über die Schultern gelegt, aber er saß noch nicht in seinem
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